Blick zurück

Jenni von Alltägliches Chaos denkt hier über sich und Ihr Blog nach. Die Fragen die sie aufwirft kann ich ein Stück weit nachvollziehen und weil Blogs ja auch immer Kommunizieren sollen versuche ich mal hier darauf Bezug zu nehmen. Auf einen Ausschnitt. Für einen Kommentar bei ihr im Blog war mir das zu lang. Und ich denke das eine oder andere reicht aus um einen eigenen Artikel zu tragen.

Seelenstriptease.

Irgendwie zieht sich ja jeder Ego-Blogger mehr oder weniger vor seinen Lesern aus. Irgendwie steht bei Jenni, genauso wie bei mir, viel Kram den man direkt oder indirekt auf die Persönlichkeit, auf den Menschen hinter den Zeilen zurückführen kann.

Durch unsere öffentlichen "Tagebücher" lassen wir uns ein Stück weit darauf ein der Welt und damit allen die es lesen wollen einen kurzen Blick auf unsere Persönlichkeit zu ermöglichen.

Auch wenn wir glauben, wir könnten kontrollieren was wir veröffentlichen: Alles was wir schreiben lässt immer auch einen Blick auf uns zu. Selbst die Blogroll ist ein Ausschnitt meiner Selbst, den er Form viele meiner RL-Bekannten nicht haben. Einfach weil es dort nie Thema ist. Und genauso wie bei StudiVZ die Aussage "das sind meine Freunde" eben immer auch was über den einzelnen aussagt, ist es in der Blogosphere ja auch: "das finde ich so lesenswert, dass ich es euch – liebe Leser – ans Herz legen will".

Seelenstriptease also. Nur: Ist das schlimm? Ich fand dazu Maltes Artikel in der Netzzeitung nicht ganz verkehrt. Ich bin nicht einer der sich in einer statischen Umwelt verändert oder anders verhält. Jenni auch nicht. Wir sind viele. Fast schon Mainstream-Viele. Die einen machen es über S- oder M-VZ, wieder andere lassen ihr Leben auch in Internet-Foren stattfinden oder eben Bloggen.

Hier steht nichts wofür ich mich schäme. Hier steht nichts, zu dem ich nicht stehen kann. Klar bin ich heute ein anderer, als ich es am Anfang war. Und das ist gerade mal ein Dreivierteljahr her. Ich verändere mich. Hoffentlich jeden Tag ein bisschen. Und wie das so ist mit Veränderungen: Nicht alles was ich war will ich heute noch sein. Aber das ist gut so. Wenn ich später denke dass die alten Sachen ja gar nicht wiedergeben wer ich bin, zeigt das doch, dass ich mich entwickle. Dass ich mich verändere.

Striptease? Klar, aber in Badehose sieht man mich auch am Strand. Mehr gibt’s hier nicht. Und wenn doch dann verschwindet es ganz schnell wieder hinter dem Handtuch. Und ich glaube auch bei Jenni ist das so. Will ich, dass mich jeder am Strand sieht? Sicher nicht. Aber ich geh trotzdem hin.

Und genauso wie da draußen, wo ich nicht jeden Tag an den Strand gehe, genau so ist es dann eben auch hier. Als ich anfing wollte ich jeden Tag was schreiben. Ich dachte, ich kenne mich und ging davon aus, dass ich wenn ich einmal aufhöre, nie wieder anfange. Falsch gedacht. Inzwischen habe ich das Ziel zu schreiben, wenn mir danach ist. Und klar – ich schreibe am liebsten Häufig, aber wenn mir eben nichts einfällt oder ich keine Zeit habe, dann ist das auch egal. Und keine Zeit haben kann eben auch heißen zu Plurken statt zu bloggen.

Zum Anfang zurück.

Bloggen ist eine Facette unseres Lebens. Ein Aspekt. Aber eben doch "nur" einer. Aber Bloggen ist auch ein Blick zurück. Ich sehe heute, was ich im September gedacht habe. Was mich beschäftigte. In einer ausformulierten Klarheit, die ich sonst nie hatte. Ich weiß nicht mehr wirklich, was mich vorletzten September beschäftigte. Es steht nämlich nirgends. Und das ist meine Vergangenheit. Mein Blick zurück. Ich bin heute anders. Und vielleicht gibt es wirklich Dinge die ich an meinem Gestern-Ich nicht mehr mag. Aber ich bin stolz darauf der zu sein, der ich heute bin. Und ich will trotzdem in einem Jahr jemand anders sein.

Bleibt alles anders? Ich hoffe doch!

Ignoranz?

Wenn ich vom Büro nach Hause will, muss ich durch den Hamburger Hauptbahnhof. Im Fahrstuhl Stöpsel ins Ohr, Musik auswählen, raus und durch.

Ich sehe jetzt nichts wirklich richtig.

Alles ist surreal.

Die Musik dröhnt. Ich gehe meinen gewohnten Weg. Schnell. Nicht aus Angst. Weil ich immer schnell gehe. Links der Bäcker, bei dem ich früh den Kaffee kaufte. Weiter hinten der Häagen-Dasz-Laden mit dem leckeren Eis. In der Mitte irgendwelche Promo-Stände.

Menschen?

Ja, klar. Aber interessieren mich nicht. Nicht wirklich.
Bestenfalls schaue ich einer hübschen Frau hinterher.
Aber mehr?

Nein.

Wenn ich durch die Wandelhalle hindurch bin, also auf der Rückseite des Bahnhofs, wird es ghettoartig: Rechts die Apotheke, dahinter die Polizeiwache.
Irgendwo ist eine Treppe runter zur S-Bahn. Dort stehen immer viele in deren Freizeit scheinbar „am Hauptbahnhof rumstehen“ dazugehört. Meinetwegen, mir egal. Aber eigentlich „Haben die kein Zuhause?“. Vielleicht wirklich nicht. Vielleicht gibt es für diese Menschen nichts anderes?

Abschalten.

Plötzlich ein Sport-Team in roten T-Shirts. „Alkoholmannschaft“. Lustig? Nicht wirklich.

Weiter.

Runter zur U-Bahn. Irgendwer hält mir eine offene Hand in den Weg. Ich achte nicht drauf, gehe weiter. Gleich kommt die U-Bahn die ich erreichen will.
Jugendliche lärmen.
Waren wir früher auch so? So ähnlich bestimmt. Aber ich mochte die meisten meiner Schulkameraden damals auch nicht. Warum also heute deren Nachfolger.

Weiter.

Rechts jetzt der Brötchenstand. Gegenüber ein anderer. Runter zum Gleis. Während ich die Treppen hinab eile spüre ich den Luftzug. Unten müht sich eine Mutter zwischen all den Menschen allein den Kinderwagen die Treppe hinauf zu bekommen.

Vorbei. In die U-Bahn. Sitzplatz. Ich mache es mir gemütlich und hole mein Laptop raus. Drehe die Musik etwas leiser. Lese.

Im Waggon lärmen Kinder. Ein Vater schreit seinen Sohn an. Drehe die Musik wieder lauter. Und wieder: Haben die kein Zuhause? Muss man das hier machen? Ohlsdorf, spätestens Langenhorn Markt steigen die meisten aus. Vor allem die störenden. Ohne Langenhorn-Markt hätte ich gefühlt die ganze Fahrt ruhe.

Endlich am Zwischenziel. Aussteigen. Die Treppe hoch zum Bus.

Warten.

Hinter mir die Kneipe. Uschis Bahnhofseck oder so. Darin läuft laute Schlagermusik. Die Gäste gröhlen mit. es ist 19:00 und die ersten Schnapsleichen drinnen. Wie arm.

Daneben ein Dönerladen. Glaube immer die selben Gesichter zu sehen. Verschwimmt. Vorurteil in mir sagt ungebildet. Sagt dumm. Sagt armselig.

Moralinstanz sagt ich sollte differenzieren. Aber Menschen die radfahrenden Frauen hinterher grölen will ich nicht differenzieren. Menschen die jeden Tag mit Dosenbier am Bahnhof stehen. Will nicht. Wozu.

Der Bus kommt. Rein. Musik wieder lauter. Busgeräusche sind anders als U-Bahngeräusche. Glaube ich kann am Geräusch sagen in was für einem Busmodell ich sitze. Neuere summen eher, ältere Brummen. Wieder: Anstrengende Jugendliche. Machen Krach. Aber auch die steigen bald aus. Glashütte Markt. Spätestens.

Ab jetzt sitzen zu 50% immer dieselben Gesichter hier. Gesichter mit denen ich was verbinde. Mit-Dörfler. Zwei kennen sich offenbar, treffen sich öfter am Bus und unterhalten sich. Zwei ältere Damen scheinen von der Busfirma zu sein. Plaudern oft mit dem Busfahrer. Ich weiß sogar wo sie aussteigen. Schlimm. Will ich mir nicht merken. Mache es trotzdem.

Endlich daheim. Der geistige Filter setzt ein. Rest-Erinnerungen verblassen.

Jetzt Mails checken. Blogs lesen. Abendessen.

Ich bin wieder in meiner Welt.

Irgendwas besonderes? Nein. Interesse? Keins. Geheuchelt maximal: Diese armen Menschen. Und dabei schon wieder ein zynisches Grinsen auf den Lippen.

Zapp. Fernsehen. Fußball. Zapp. Internet. Zapp. Duschen. Zapp. WII spielen. Zapp. Chatten. Austausch mit Menschen auf „meiner“ Wellenlänge. Oft belanglos.

Vielleicht sollte man sich auch mit den anderen beschäftigen. Wahrscheinlich. Mit denen, die am Bahnhof stehen. In der U-Bahn lärmen. Jedes Einzelschicksal ist wichtig. Heißt es.

Glaube ich daran? Ich weiß nicht. Ich bewerte.

Ich sortiere in (für mich) wichtige und unwichtige Schicksale.

Kann mich nicht um jeden kümmern.
Jeden Mögen.
Jeden für relevant halten.

Bin ich ignorant?

Give me something to sing about!

Zugegeben: Ich habe in den letzten Wochen nicht wirklich viel gebloggt hier.

Ab und zu mal einen oder zwei Beiträge, aber großartig produktiv war ich nicht. Wenn ich mich an meinen eigenen Ansprüchen messe, die ich mir auferlegte als ich mit diesem Projekt anfing, müsste ich sagen ungenügend. Im September hatte ich noch die Idee jeden Tag einen neuen Beitrag zu veröffentlichen. Nach dem die Anfangseuphorie dann verflogen, die Gewohnheit eingetreten, und mich der Oktober durch eine längere durch Krankheit verursachte Schaffenspause bremste, wurde es dann weniger. Seit Januar klappt es jedoch ganz gut. Ich habe meine Ziele meiner Realität angepasst. Schreib, wenn du was zu sagen hast. Halte die Klappe, wenn dir nichts einfällt. Aber heimlich wünsche ich mir natürlich schon, dass hier jeden Tag oder wenigstens alle zwei Tage was passiert. Und klar ist, es liegt nur an mir.

Klingt als hätte ich nichts zu sagen? Doch:

Tweet! Plirk!

Meine Internetgeschichte – bzw. der Teil meiner Internetgeschichte, der was mit sozialen Kontakten zu tun hat – fängt im IRC an. Vor inzwischen gut 11 Jahren. Ich bin also im Prinzip da sozialisiert worden. Damals noch mit Minutenpreisen im zweistelligen Pfennigbereich. Selbst als ich intensiver anfing das Netz zu nutzen, waren das vor 21:00 Uhr noch 12 Pfennig, alle 2,5 Minuten. Vor 18:00 Uhr war es noch einmal teurer. Das führte damals dazu, dass die Kommunikation sehr intensiv war. Fast alle User waren zwischen 21:00 und 23:00 „da“. Und in dieser Zeit wurde geredet, was das Zeug hielt. Irgendwann kamen dann die Flatrates. Die Usage verteilte sich über den Tag. Bzw. wir „Core Chatter“ waren einfach immer da. Wenigstens technisch. Das war so ungefähr 1999. Die Kommunikation wurde etwas mehr, aber eben nicht so viel, wie nötig gewesen wäre, um die ganze Anwesenheit zu füllen. Chatten wurde langweiliger. Niemand war mehr an diesen 2-Stunden-Slot gebunden, so dass aus größeren Gruppen die zeitgleich redeten immer kleinere wurden. Wir waren ja eh immer in der Lage reinzuschauen. IRC wurde weniger interessant und irgendwann verabschiedete ich mich mehr oder weniger unbewusst davon.

Hatte einfach nicht mehr das Bedürfnis. Vor etwa 1,5 Jahren dann, habe ich wieder reingeschaut. Nett. Die alten Leute wiedersehen und wieder kommunizieren. Einige waren inzwischen – wie ich – berufstätig. Das limitiert den wirklich aktiven Zeitraum wieder und so entstand wieder Kommunikation. Aber nach einer Weile wurde das dann doch wieder weniger interessant. Ich bin immer noch im IRC, aber irgendwie in den falschen Räumen oder so. Es gibt Tage, da sage ich dort gar nichts.

Und jetzt kommt Twitter ins Spiel: Twitter erhebt nämlich nicht den Anspruch von Echtzeit. Das ist, wenn man sich darauf einlässt ein unglaublicher Vorteil. Ab und zu entwickeln sich eben kleinere Dialoge, aber meistens ist es eben nur das – ich schrieb es neulich schon – Rauschen im Äther. Und Twitter nimmt inzwischen einen Teil meiner „Kommunikations-Energie“, die sonst in mein Blog geflossen ist auf. Frau Jekylla hat gestern nicht ganz falsch angemerkt, dass beides nicht geht. Bloggen und Twittern. So extrem sehe ich das nicht, aber ihr Blog ist auch dynamischer als meines. Und mit irgendwo bei 50 Kommentaren pro Artikel ist der Aufwand und der Kommunikationswert natürlich größer. Twittern jedenfalls macht, dass ich über kleinere Dinge nicht mehr blogge. Das ist vielleicht irgendwie schade, weil aus den 140 Zeichen die man in Twitter schreibt durchaus ein 1400 Zeichen Artikel werden könnte. Aber im Moment ist es einfach so. Ich will mich da auch nicht zu sehr in irgendein Korsett zwängen.

Seit Freitag nun gibt es weitere Konkurrenz im Hause Curi0us: Plurk. Irgendwie wie Twitter in horizontal, aber doch irgendwie auch ganz anders. Plurk lebt auch von kurzen Mitteilungen. Der für mich große Unterschied ist aber, dass es neben den einzelnen Tweets, die wir dort Plirk nennen auch die Möglichkeit gibt pro Plirk einen eigenen Chat-Thread aufzumachen. Also sozusagen eine Twitter-IRC-Kreuzung. Genau das richtige 🙂 Microbloggen UND chatten in einem.

Plurk UND Twitter haben für sich genommen schon ein gewisses Suchtpotential In Kombination finde ich beide fast schon gefährlich. Und wie immer, wenn etwas neu ist, beschäftigt man sich damit noch intensiver als dann im Alltag. Das trifft gerade auf mich und Plurk zu. Deshalb ist hier also in letzter Zeit so wenig passiert. Aber: Das soll anders werden Ich hoffe ich habe mich an Twitter und Plurk ausreichend gewöhnt und habe den festen Vorsatz hier wieder mehr zu schreiben. Natürlich brauche ich dazu auch Themen, aber ein paar davon kristallisieren sich schon in meinem Hinterkopf. Und einen längeren Artikel habe ich auch noch in der Pipeline, nur dass ich an dem noch arbeite. Vielleicht wird das aber auch eine Serie (macht euch keine Hoffnungen, es wird trivial).

Wer sich trotz Suchtgefahr an Twitter oder Plurk versuchen möchte, findet mich hier:
Twitter Plurk

P.S. Lieben Gruß an Frau Jekylla. Sie wissen schon warum 🙂