Ticketchaos die Xte

Nachdem das mit der Dauerkarte ja im Frühjahr 2010 schon nicht geklappt hatte, muss Fan sich ja auf anderen Wegen darum bemühen seine Lieblingsmannschaft live und in Farbe – will sagen im Stadion zu sehen.

Dazu gab es seit Anfang der Saison ein eingespieltes und inzwischen – naja – zur Gewohnheit gewordenes Prozedere.

Mitglieder von weiter weg bekamen die Möglichkeit, sich per Mail ab einem gesetzten Zeitpunkt Karten zu reservieren. Sagen wir ab “Samstag, 11:00 Uhr”. Wer dann schnell und rechtzeitig seine Mail verschickte hatte mit etwas Glück eben Karten für die nächsten drei Spiele.

Mitglieder aus Hamburg mussten sich zu einem genannten Zeitpunkt vorm Kartencenter in die Schlange stellen und bekamen dort – mit etwas Glück, ihre Karte. Montags um 8 in der Schlange eben. Ging.

Nicht unbedingt modern und toll, aber es funktionierte leidlich und man hatte sich damit arrangiert. Auswärtige Mitglieder saßen eben Samstag um 10:59:59 am Rechner und hatten den Finger über dem ‘Mail senden’ Button, und die anderen standen am Montag ab 06:00 in der Schlange.

Seit diesem Mal ist alles besser anders. Der Verein hat jetzt einen Ticketing-Dienstleister und alles auf bessere modernere andere Füße gestellt. Jetzt geht es wie folgt:

Man kann sich ab einem gesetzten Zeitpunkt (dieser war jetzt heute, Freitag, 10:00) mit dem Dienstleister in Verbindung setzen, entweder via Hotline oder per Internetformular. Man weist sich per Mitgliedsnummer und Geburtsdatum aus, man kann seine Reservierung angeben, man wartet.

Und hier beginnt dann die Auflistung der .. sagen wir mal Probleme:

  • Dumm nur, dass man sich mit Nummer und Datum nicht anmelden konnte. “Unbekannt”. Wenn man dem InternetTM glauben darf ging das nicht nur mir so, sondern eigentlich allen. Sogar denen, die es über die Hotline versuchten ging es so. War also nix mit pünktlich um 10:00 und so.
  • Dumm nur, dass man bei der Auswahl der Wunschplätze drei Prioritäten angeben muss. Und davon nur einmal Stehplatz wählen kann. Was machen denn diejenigen, die für sitzen kein Geld haben, wenn sie jetzt Prio 2 bekommen, die automatisch Sitzplatz und damit ungefähr doppelt so teuer ist (mindestens)? Soll es ja auch geben? Die Karten nicht abholen und damit das System torpedieren, weil sie sonst keine Chance haben sich für ne Stehplatzkarte zu bewerben? Hallo?
  • Dumm nur, dass man zwar für ein weiteres Mitglied mitbestellen konnte, aber irgendwie ziemlich unklar war, wie. Man konnte in dem Formular zwar die Nummer mit eingeben, aber ist damit auch für dieses Mitglied schon bestellt? NACH der Bestellung unauffällig am Rande gibt es jedenfalls die Möglichkeit “Für ein weiteres Mitglied bestellen”. Dies funktioniert auch, zeigt sogar an, dass man bereits von dem ersten Mitglied ‘mitgenommen’ wurde, aber… muss man jetzt für beide die vollständige Bestellung abwickeln? Reicht es, die Nummer einzutippen? Man weiß es nicht so recht.
  • Dumm nur, dass die ach so tolle Hotline des Online-Ticketing-Dienstleisters quasi nicht zu erreichen war. Danke auch dafür.

Nach 15 Minuten ging es dann irgendwie. So halb. Und jetzt warten wir alle gemeinsam darauf, dass wir irgendwann (ich ahne, dass es nächste Woche wird) Mails bekommen, die uns sagen, ob und welche Tickets wir bekommen haben.

Wir brauchen dringend ein größeres Stadion mit spürbar mehr (Steh-!)Plätzen. Wir brauchen dringend ein funktionierendes Ticketing. Und ich brauch ganz dringend Tickets für die nächsten drei Spiele. Mal schauen, was das wird.

Mein Stress- und Adrenalinlevel ist jedenfalls im Moment irgendwo weiiiiit oben. Und genervt bin ich auch. Aber das ist ja nix Neues, wenn es um Fußballkarten geht.

Edit: nachdem im Forum die ersten auftauchten, die meinten man solle mal hinterhertelefonieren, weil es Online  zwar geklappt hätte, aber man nix bekäme…Toll: Hotline angerufen, sich sagen lassen, dass die Online-Bestellungen nicht in der DB wären, per Telefon bestellen, sich über Sitz- statt Stehplätze ‚freuen‘ (Pro Karte 13 Euro mehr…).

Via Twitter die Bezugsgruppe alarmieren und bei sich schon darüber ‚freuen‘, dass vermutlich die Hälfte nicht mehr an Tickets kommen wird.

Toll. Nicht.

EIGENTLICH erwarte ich vom Verein eine MEGADICKE Entschuldigung an *ALLE* Online-Besteller, die so ‚leer‘ ausgegangen sind, aber auch an alle, die nur dank eigener Paranoia oder Vernetzung oder whatever nochmal angerufen haben. Uneigentlich rechne ich aber leider definitiv nicht mit mehr als einem vereinsseitigem Schulterzucken. Ich könnte gerade ausgiebig kotzen, trotz scheinbar sicherer Karten für die nächsten Spiele. (Man weiß ja immer noch nicht so wirklich, ob es klappt. Ich glaub das erst, wenn ich die Karten sehe..).

Kein-Saisonkarte-Kein-Heimsieg-Wochenende

Nachdem das ganze etwas gesackt ist, äußere ich mich dann auch mal (zu spät?) zum letzten Fußballwochenende. Den Anfang machte das samstägliche Anstehen für die neue Saisonkarte. Warum das so ist steht zum einen bei den das ganze organisierenden Ultras, an sonsten kann man aber auch hier nachlesen, wie es mir letzte Saison erging.

Schlangestehen.

Eigentlich ließ sich der Tag recht gut an, nach dem Treffen mit der Bezugsgruppe gegen kurz vor 10, schlurften wir inklusive des von Frau Jekylla und mir bestückten und von Herrn Sparschäler zusammengebauten Grill-Bollerwagens rüber zum Millerntor und reihten uns in die Schlange ein. Das Ende der Schlange, also zu dem Zeitpunkt unsere Position, war zwar schon recht weit hinten, aber vorsichtige Schätzungen der Menschenmenge vor uns führten zu Zahlen um die 1.600 oder 1.800 Personen, auch da die Schlange noch sehr entspannt mit großem Abstand zwischen den einzelnen stand, und zudem meist maximal 2 Personen breit war.

Für Ortskundige: Die Schlange ging vom Eingang ins Clubheim in der Südkurve über den Vorplatz um das T-Com-Gebäude herum bis zur Gegengerade, wir standen zu Beginn etwa auf Höhe der Strafraumgrenze Süd.

Auf Höhe des T-Com-Gebäudes fingen wir dann an den Grill vorzuheizen. Würste, Fleisch und Nudelsalat wurden gereicht. Ein kurzer Besuch des Hof-Fotografen wurde noch von Jubel begleitet. Langsam und inzwischen gesättigt ging es voran. Gegen ca. 14:00 Uhr erreichten wir die Ecke zum Südkurvenvorplatz, gegen ca. 15:00 Uhr standen wir noch ca. 25 Meter vom Clubheim, in dem es die begehrten Karten gibt, entfernt.

Ungefähr jetzt fing die schlechte Laune an. Durchsage, dass alle Karten vergriffen sein. Entsetztes Schweigen. Frustriertes Zusammenpacken der eigenen Sachen. Heimfahrt. Ich ignorierte für den Rest des Tages alles zu diesem Thema und versuchte mich in brauchbarer Laune.

Schön, als ich dann am Sonntag am Treffpunkt zum Heimspiel gegen die Arminia aus Bielefeld stand und mir erzählen ließ, dass wohl ca. 300 bis 700 Personen sich nachträglich in die Schlange integriert hätten. Klar. Man kann sich vorne zu Freunden und Bekannten stellen. Reicht ja, wenn einer den Platz freihält. Ich persönlich hab zwar nichts beobachten können, stand ja eher weiter hinten, aber die Menge derjenigen, die sowas beobachtet haben, spricht dafür, dass die Schätzungen nicht aus der Luft kommen. Toll. Das ist mein St. Pauli. Nicht. Wobei das kein St. Pauli-Phänomen ist, aber das nur am Rande.

Fußball.

Naja, mit entsprechend geladener Stimmung ging’s dann ins Stadion. Das von USP genutzte Wörtchen “Schnarchnasen”, im Bezug auf Support der nicht ihren Vorstellungen entspricht, waberte durch die Luft, die Enttäuschten, zu denen ja auch ich und meine Bezugsgruppe gehörten, waren naturgemäß immer noch traurig, dass sie nächste Saison die Kurve wohl überwiegend von außen sehen würden. Das Spiel tat dann ein übriges dazu, die Laune nicht besser werden zu lassen. Die erste Hälfte war weitgehend zu träge, zu wenig dynamisch, um zu begeistern. Dazu das ärgerliche, aber nicht unverdiente Tor der Gäste… Naja.

Nach dem Wiederanpfiff dann mehr Power, mehr Drängen auf das Tor der Bielefelder, leider ohne Erfolg. Im Moment ist eben auch Fußballerisch der Wurm drin. Hmpf.

Was bleibt? Ein 0:1 nach Neunzig Minuten.Ein nur noch dritter Tabellenplatz (stand heute: Relegation gegen Nürnberg). Ein irgendwie – wenigstens offensiv – im Moment verunsichert wirkendes Team. Zwei Sperren (Lechner und Lehmann) für das Spiel in München.

Nachwehen.

Irgendwie nervt mich das Ticketing bei St. Pauli ja ungefähr, seitdem ich meine erste Dauerkarte hatte. Das war in den frühen Neunzigern, müsste 1991 gewesen sein. Damals war die Dauerkarte noch ein Stück Din A 6 Pappe, mit ein paar abzuknipsenden Feldern am Rand. Irgendwann später gab es dann eine Maschine, die das ganze laminierte, was der Haltbarkeit diente. Das Ding wurde kleiner, und seit sowas wie 4 Jahren gibt es jetzt tatsächlich Scheckkartengroße Plastikkärtchen. Seit 4 Jahren passt die Dauerkarte ins Portemonnaie.

Dass es seit ca. 15 Jahren das Internet gibt, ist am Verein dagegen vorbeigezogen. Online-Service? Fehlanzeige. Während man beim anderen hamburger Verein sein Vorkaufsrecht online ausüben kann, muss man bei uns persönlich vorbeischauen. Während man nebenan sein Eintrittsrecht per Dauerkarte für nicht besuchte Spiele weiterverkaufen kann, online, ohne dass man die Karte weitergeben muss, gibt es bei uns nur die AFM-Ticketbörse.

Bei uns gibt es 600 Südkurven-Karten für jedes Heimspiel. Im freien Verkauf. Wie bekommt man die? Anstehen. Wir sind ja sooo anders. Aber anders ist ja nicht immer und zwingend toll.

Okay, das Problem “weniger Karten als Interessenten” behebt man damit natürlich auch nicht, aber man würde sich trotzdem einiges an Generve ersparen.

Und sonst so?

Drüben bei Santapauli gibt’s gerade eine sehr persönliche Abrechnung mit dem FC St. Pauli. auch sonst hab ich in den letzten Tagen vieles Gelesen, was den Tenor hatte “dafür geh ich nicht dahin”. Ich weiß ja nicht so recht.

Warum geh ich eigentlich zum FC St. Pauli? Weil ich Fan bin. Was macht für mich das Fan sein aus? Hm, nennen wir es mal Liebe zum Verein. Natürlich kann sich die verändern, oder man entliebt sich irgendwann. Aber deshalb? Wer aufmerksam im Stadion stand hat schon Anfang der Neunziger mehr Idioten als Vernünftige vorgefunden. Mehr betrunkene, gewaltbereite, homophobe, als einem lieb sein konnte.

Tolerant, liberal, weltoffen waren immer nur einige. Ja, es war früher ein Kontrast zu den Nazispinnern in einigen anderen Stadien, ja, es gibt auch heute noch Dinge, die uns abheben. Aber zu mindestens 90% sind und waren wir immer schon ein ganz normaler Verein. Kult? Kult. Ein Label. Mehr nicht. Und selbst bei den “Besserfans” existiert schon seit damals ein für mich zum Teil unerträglicher Linksdogmatismus. Toleranz, die nur dann gelebt wird, wenn sie auf etwas trifft, dass in das eigene Wertebild integrierbar ist.

Beispiel gefällig?

Bei Kiki in die Kommentare linsen. Wer Golf spielt ist automatisch FDP-Wähler, wer FDP wählt hat automatisch nichts im Stadion verloren. Danke. Selbstentlarvend, irgendwie.

Leider bleibt das nicht bei Einzelpersonen stehen. Wer sich die “Südkurve” durchliest, das Organ mit dem die Fans auf derselben über anstehendes und vergangenes informiert werden, bekommt den Eindruck, es mit einem elitären, abgehobenen Haufen zu tun zu haben. Wer nicht 90 Minuten das singt, was man vorgibt, ist eine – siehe oben – Schnarchnase. Folge unserem Vorbild, oder verlasse die Kurve. Steht da so, oder so ähnlich.

Dass die Südkurve eine Supportkurve sein soll, tragen glaube ich alle. Aber dass inzwischen größere Gruppen versuchen auch noch die Art des Supports vorzuschreiben, na danke. Das ist (leider) mein St. Pauli.

Schuldzuweisung

Irgendwer ist natürlich immer Schuld. Wir sind Schuld, dass wir keine Karte bekommen haben, weil wir schlicht zu spät waren. Weil wir den Andrang unterschätzten. First come, first Serve. Soweit, so in Ordnung (und trotzdem doof).

Ist USP schuld? Ich meine nicht. USP ist in der Position, in die sie der Verein gehoben hat. Verhält sich so, wie sie aus Sicht der Gruppe halt handeln wollen. Tun das, was ihnen am besten erscheint. Klar kann man jetzt sagen, dass die Schlange hätte reguliert werden sollen, aber.. ist das USPs Schuld?

Für mich ist der Verein selbst schuld. Wer zum einen die absurde Idee hat, dass der Verkauf durch die Fans sinnvoll reguliert werden kann, wer zum anderen nicht mal annähernd selbst regulierend eingreift.. Naja. Die “Südkurve” wird man auch beim Verein lesen können. Und entsprechend auch den Tonfall. Ich verlange keine Zensur, aber dass man dann mal darüber nachdenkt, wen man hier zum Kartenverwalter gemacht hat, wäre nicht zu viel verlangt.

Siehe oben: Modernes Ticketing würde einige, aber nicht alle Probleme verringern. Kluger Umgang mit der Situation sicherlich auch. Aber solange bei uns die Eintrittskarten noch gelocht werden, und es keine Lesegeräte gibt, bleibt vieles davon wohl Utopie.

Und jetzt?

Tja. Einen Plan B gibt es nicht so wirklich, bisher. Ab und zu mal das 600er Kontingent abgreifen? Ab und zu irgendwie anders ins Stadion? Oder doch nen Sitzplatz? Allein, ohne Bezugsgruppe? Ich weiß es nicht. Während Erik überlegt, ob er doch als Sponsor einsteigt, fehlt mir noch ne Idee. Aber bis die Karten verkauft werden ,ist ja auch Sommer.

Ich geb übrigens hier nochmal offiziell eine Prognose ab: Sollte St. Pauli nicht aufsteigen, wird es im Sommer verdammt viele Saisonkarten für die Südkurve bei Ebay geben. Alternativ viele leere Plätze.

Naja. Eigentlich wollte ich eh immer wieder zurück in die Gegengerade. Ich hab zwar keine Ahnung, wie ich das realisiert bekomme, aber vielleicht sollte ich mal anfangen dafür Pläne zu schmieden. Im Optimalfall mit der Bezugsgruppe.

Und jetzt! Fußball. Auwärts bei 1860 München. Gewinnen. Würde mich zumindest auf dem Platz wieder etwas fröhlicher stimmen.

Sie ist da!

dauerkarte2009

Schlicht. Irgendwie. Sehr schlicht.
Aber mir gefällt das.
Auch wenn ich die schwarze im Totenkopfdesign persönlich immer noch am coolsten fand. Aber dieses Braun-Weiß-Rote-Design hat was.

Und am Ende ist doch eigentlich eh nur wichtig, dass ich damit für eine Saison meinen Stehplatz sicher habe.

Nur noch zwei Monate.