Wahlwerbung

Ich weiß zugegeben noch nicht wirklich, wen ich zur Bundestagswahl am 27. September wählen will (wozu mir gerade einfällt, dass ich noch gar keinen Wahlschein bekommen habe…). Und ich weiß auch gar nicht, ob ich das hier der Öffentlichkeit preisgeben werde.

Aber ich weiß, dass ich wählen werde. Schon allein damit ich in den nächsten vier Jahren weiter lauthals fluchen darf, wenn das was die Politiker da treiben mir nicht gefällt. Wer nicht wählt, gibt meiner Meinung nach nämlich auch das Recht ab, sich über das Ergebnis zu beklagen.

Ich mag Blumentopf seit irgendwann in den Neunzigern, seit Sechsmeterneunzig. Mag das, was sie zur WM und zur EM an Spielberichterstattungshiphop gemacht haben. Und irgendwie mag ich auch, dass sie sich an diesem Demokratiedingsda beteiligen. Guter Song, wichtiges Thema. Es gibt deutschen Hiphop mit Anspruch. Gute Werbung für ein wichtiges Thema! Wahlwerbung. Werbung für die Wahl!

Neben Kampagnen die auf die eigentliche Wahl hinweisen, gibt es im Moment natürlich auch diverse Versuche Parteienwerbung zu betreiben. Die ist ja, ähnlich wie inzwischen die Programme und Aussagen der meisten Parteien, oft austauschbar, langweilig.
Oft auch einfach zu sehr auf den Kandidaten bezogen. Keine Ahnung, was da Werbewirkungsmäßig klüger ist, hab ich noch nie untersucht.

Aber persönlich angesprochen fühle ich mich nur von sehr sehr wenigen Anzeigen, Spots, Plakaten. Ich weiß – siehe oben – noch nicht wen ich wähle. Aber ich weiß, dass die Piraten mit ihrer aktuellen Kampagne einiges richtig machen, was ich ihnen gar nicht zugetraut habe.

Ich hab – je länger ich mich mit der Piratenpartei beschäftige – ja inzwischen ne ganze Menge Vorbehalte angehäuft. Von daher ist das hier ausdrücklich weder eine indirekte Aussage, dahingehend, ob ich die Wähle noch eine Aufforderung dazu!

Aber: Den Spot finde ich richtig großartig.

Ich kann mir vorstellen, dass man so tatsächlich noch Menschen überzeugt. Sehr geschickt werden völlig verschiedene Personen aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Kreisen gezeigt. Die Aussagen sind glaubwürdig und sinnvoll. Zentrale Punkte werden gut aufgegriffen und ausgedrückt. Ich finde: So macht man gute Parteienwerbung.Im Moment sammeln sie wohl, damit es der Spot auch ins Privatfernsehen schafft.

Unabhängig von meiner eigenen Wahlentscheidung bin ich sehr gespannt, was da noch passiert…

Auf den Punkt…

Erschreckend, aber wohl vollständig auf den Punkt gebracht, warum „die“ (Politiker) „uns“ (Netzvolk) nicht verstehen.

Jörg Tauss bei Abgeordnetenwatch zum Thema.

Edit! Richtiger und wichtiger Hinweis von Ramses101: Das ganze wirkt sehr wie eine Werbeveranstaltung für Herrn Tauss/Piratenpartei.
Die Frage wäre sicherlich sinnvollerweise (auch) an jemanden gegangen, der bei der SPD ist.

Wie man eine Generation politisiert…

Es gibt immer wieder Ereignisse, die aufgrund ihrer Bedeutung für den Einzelnen, aufgrund der Dynamik, die sie entfalten und aufgrund der medialen Präsenz und damit verbunden dem Informieren vieler weiterer quasi konstituierend für eine “Generation” sind.

Vielleicht erleben wir gerade so ein Ereignis. Vielleicht ist das gestern beschlossene “Netzsperrengesetz” und die damit verbundene Aktivität in der deutschen Web2.0-Welt, die gerade eine Generation begründet hat.

Für mich definitv. Vorher waren es alles irgendwie “Web 2.0-Fuzzis”. Wie ich. Wie Tausend andere. Und unsere Gemeinsamkeiten lagen vor allem darin, dass wir mit diesem Social Web, diesem Selbstproduzieren von Content und dem Austausch mit wildfremden Netzbürgern unseren Spaß hatten.

Und plötzlich ist alles anders. Plötzlich wird nicht mehr (nur) rumgekaspert, sondern plötzlich ist das Web 2.0 politisch geworden. Fast alle bloggen irgendwas zum Thema. Fast alle Twitteruser denen ich folge haben sich schon in irgendeiner Form politisch geäußert. Es gibt unglaublich viele großartige Postings, kreative Ideen, grafische Umsetzungen des Themas, wahnsinnig viel Aktion. Plötzlich gibt es die “Generation C64”.

Was ich selbst daran so erstaunlich finde ist, wie mitreißend diese ganze Geschichte geworden ist. Neben der angebracht starken Kritik am neuen Gesetz hat sich hier nämlich etwas entwickelt, das unsere Regierenden offenbar deutlich unterschätzen (hoffe ich). Dynamik.

René von Nerdcore hat das prima auf den Punkt gebracht: Wir sind 500.000 Teilnehmer im Netz.

500.000 Menschen, die Inhalte erstellen, Meinungen publizieren, ihren Mund aufmachen. 500.000 Menschen, die bisher über Fußball, Apple, iPhones, Gartengestaltung, Autotuning, Wetterprognosen, Beziehungen, Welt, alles geschrieben haben. Jeder für sich. Und jeder für sich hat ein paar Leser, ein paar Leser, die die anderen nicht haben. Und 500.000 Internetauftritte haben Google-Power.

500.000 Menschen, die jetzt eines gemeinsam haben: Eine politische Identität, zu einem besonderen Thema. Die plötzlich merken, welchen Wind, vielleicht auch welchen Sturm sie entfachen können, wenn sie sich vernetzen. Anders vernetzen als bisher. Die ihre digitale Identität mit der realen verknüpfen. Aufstehen, rausgehen, demonstrieren, Briefe schreiben. Meinung haben und Meinung machen.

Und diese 500.000 Menschen werden gelesen. Wer bei Google nach “Netzsperrengesetz” sucht, findet zunächst eines: Blogs und Microblogs wie Twitter.

500.000 Absender mit je 20 Lesern – um das mal Beispielhaft zu machen – sind 10 Millionen.

Was wir gerade erleben ist eine Verlagerung der Deutungshoheit. Selbst die etablierten Presseorgane haben sich zu einem nennenswerten Teil inzwischen zumindest zu den Meinungen und Stimmen aus dem Netz geäußert. Oftmals tendenziell sogar die Meinung geteilt.

Und was dahintersteckt ist einfach nur die Masse. Ich bin nicht wichtig. Und meine 5-10 bloggenden Bekannten sind es auch nicht. Aber 500.000 von uns sind wichtig. Und laut. Und werden wahrgenommen. Und wenn wir wollen, können wir verdammt viel erreichen.

Die große Koalition hat sich jetzt offenbar zum ersten Mal dort eingemischt, wo sie besser auf uns Netzbewohner gehört hätte. Eingemischt, ohne auf die Betroffenen und die Fachleute zu hören. Sie nichtmal anzuhören. Die Petition der 134.000 wurde offenbar nur schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass man nicht einmal die Sitzung des Petitionsausschusses abgewartet hat, bevor man das Gesetz beschließt.

Das damit demonstrierte offensichtliche Desinteresse an der demokratischen Äußerung einer nennenswerten Menge (so viele wie bisher bei keiner anderen Petition) wirft die Frage auf, ob unsere Politiker überhaupt ein Interesse daran haben, der angeblichen Politikunlust meiner Generation entgegen zu wirken.

Doch genau das Gegenteil dieser Politikunlust ist der Fall. Im Moment werden immer mehr Menschen zu politischen Menschen. Im Moment gehen Menschen zu Demonstrationen, die das vorher nie oder nur sehr selten getan hätten. Desinteressierte mischen sich ein.

Ich bin gespannt wie das ganze weitergeht. Aber ich glaube, dass unsere Regierung in den letzten Wochen einen schlafenden Hund geweckt hat. Viele schlafende Hunde. Keinen großen, schweren, gefährlichen Hund, sondern viele kleine, flinke, unabhängige Hunde.

Sollte sich die Generation C64 tatsächlich als “Gruppe” begreifen, sollten wir alle gemerkt haben, welchen gesellschaftlichen Einfluss wir haben können, dann können wir Frau v.d. Leyen fast dankbar sein, denn sie hat den ersten Stein geworfen.

Wir stehen erst am Anfang und sind noch wenige. Aber wir werden mehr. Von Tag zu Tag. Wir werden lauter, älter, erfahrener, reifer, gebildeter, wichtiger.

Dazu lesen:

Die Ennomane erklärt worum es geht.

Metronaut: Freiheit ist es wert, niemals zu resignieren

Nerdcore: Unabhängigkeitserklärung des Internets

In diesem Sinne

We are Anonymous.
We are Legion.
We do not forgive.
We do not forget.
We will be heard.

Expect us.

Danke an Nerdcore für die Inspiration.