Fussball in der U-Bahn

Während ich vor Beginn der Rückrunde noch darauf hoffte, dass wir nicht abrutschen würden bin ich inzwischen ja doch etwas optimistischer.

Drei Spiele in Folge ohne Gegentore. Drei Spiele in Folge gewonnen. 5:0 Tore, 9 Punkte. Und das, obwohl wir in zwei Spielen Auswärts auftraten. Obwohl wir mit Duisburg und Aachen zwei Teams vor der Flinte hatten, die sich von den Zielen her sicherlich eher oberhalb des magischen St. Pauli einordneten. Vor der Saison.

Das Duisburg-Spiel mal wieder unterwegs erlebt. Dank des immer noch tollen AFM Radios und einem dafür ganz brauchbarem Handytarif über die “AFM-Radio-Telefonhotline” trotzdem fast live dabei. Auf dem Heimweg.

Ich war noch nichtmal in der U-Bahn, als das 1:0 fiel. Beschwingten Schrittes, breit grinsend, leise vor mich hin singend wanderte ich durch den Hauptbahnhof in Richtung U1. Dass ich mit St. Pauli-Mütze gerade durch die HSVer hüpfte, die auf dem Weg in den Volkspark waren fiel mir zum Glück erst auf, als ich schon wieder aus der Wandelhalle draußen war.

Kaum in der U-Bahn, gerade einen Sitzplatz gefunden, zog ich dann auch schon die Blicke der Mitfahrer auf mich… Auf dem Sitz rumwippend, breit grinsend, vor mich hinsummend – die beste Halbzeit seit Ewigkeiten. Wenn man nicht bald das Zweinull fällt, weiß ich auch nicht. Gedacht, gehört, gejubelt: 20. Minute. Deniz Naki. 2:0. Es hielt mich nicht so wirklich im Sitz. Kurz aufspringen, merken, dass ich nicht zuhause bin, wieder hinsetzen, in verwirrte Gesichter schauen. Gehört aber irgendwie auch dazu. Sollen die doch denken, was sie wollen.

Und wenn ich so drüber nachdenke – immerhin fuhr ich nicht zu meiner Mutter, die wohnt nämlich Nähe Elbgaustrasse. Das ist – für nichteinheimische – zwei Stationen hinter dem HSV-Stadion-Bahnhof. Und in der S-Bahn dorthin saß zu dem Zeitpunkt gerade eine etwas genervte HSV-Hooliganette auf der Suche nach ihrer Brille und vermutlich noch diverse andere HSV-Fans… Die hätten ihren Spass gehabt. 😉

Aber ich saß in der U1 Richtung Norden.

Hach.

20 Minuten Fußball und schon euphorisch, so muß das.

Als ich am Endbahnhof ankam, hätte es gefühlt 6:0 stehen müssen. Als ich dann nach Autofahrt und Kurzabstecher in den Discounter endlich zuhause war, stand es allerdings immer noch “nur” 2:0. Chancenverwertung my Ass. Aber okay, Chancen für ein 10:3 und 2:0 gewinnen ist mir deutlich lieber, als keine Chancen und verlieren.

Freitagabend, 19:45, Spitzenreiter Liga 2: FC St. Pauli.

Dass die Aachener montags dann zeigten, warum sie im Moment eben doch kein Spitzenteam der Liga sind, und sich der Region kampflos mit 3:0 ergaben nur ein unwichtiges Detail am Rande.

Ein Punkt hinter der Region auf Platz 1, an die wir uns nach und nach ranpirschen.
Fünf Punkte vor Rang 3, der immerhin noch zur Relegation berechtigt.
Acht Punkte vor einem Nichtaufstiegsplatz.

Wenn wir so spielen, wie in Duisburg, kriegen wir die Region auch noch.
Unsere Defensive steht inzwischen sicher. Torchancen und damit Tore kriegen wir im Moment offenbar immer.
Nur ein Spiel ohne St. Pauli-Tor in dieser Saison. In Bielefeld. Eines.

Jetzt folgen zwei Freitagabendflutlichtheimspiele in Folge. Gegen Karlsruhe (Tabellen 12., aber immerhin 4 Auswärtssiege) und Frankfurt (17. aber auch schon 3 Auswärtssiege) eigentlich Pflichtsiege. Mal schauen, ob wir nach der Kür auswärts in Duisburg jetzt auch die Pflicht hinbekommen. Aber ich bin optimistisch.

Spitzenfussball, Spitzenfussball, Hey! Hey!

Mist. Wir haben die Tabellenführung abgegeben. Nach einem Heimspiel. So wird das nix.

Okay, Spaß beiseite. Fußball ist ja auch nix zum lachen. Eigentlich ist der zweite Tabellenplatz nach dem dritten Spieltag ja mehr wert, als der erste Tabellenplatz nach dem zweiten Spieltag. Soweit klar? Ich habe damit übrigens nicht gesagt, dass der zwölfte Tabellenplatz nach dem dreizehnten Spieltag noch besser ist. Ähm, sagte ich schon Spaß beiseite?

Fußball. Also so richtiger, guter, technisch höherwertiger Fußball:

Ballstafetten. Durchdachte Spielzüge. Koordiniertes Spiel aus der Abwehr. Schnell das Mittelfeld überbrückend nach vorn und dort zum Abschluß kommen. Technisch teils brilliante Einzelleistung in ein von der Mannschaft getragenes Kollektivspiel eingebunden. One-Touch-Football. Kurzpassspiel. Rotierende Offensivpositionen. Verschieben in Ballnähe. Schnelles Aufrücken der Abwehr. Variabler Angriffsfußball. In Unterzahl trotzdem nach vorne spielen.

Bullshitbingo mit Fußballbegriffen? Von mir aus, aber… Das ist – wenigstens seit Aachen – der FC St. Pauli. Klar, nicht alles klappt immer, aber – WOW.

Klar, ich war enttäuscht nach dem Abpfiff. Aber das hat sich inzwischen gelegt. Da war zwar mehr drin, als das 2:2 – trotz Unterzahl – aber irgendwie ist das was, was mir gerade gute Laune macht. Die erste halbe Stunde setzte den überzeugenden Auftritt in Aachen nahtlos fort. Teilweise wirklich großartige Kombinationen über vier, fünf Stationen bis in den duisburger Strafraum, wirklicher Zauberfußball. Dann kam Takyi und machte erst das völlig verdiente 2:1 um dann, ebenfalls völlig verdient, früher Duschen zu gehen. (Der Schiri lag übrigens fast überall richtig, auch wenn mir das im Stadion absolut nicht so vorkam)

Was danach kam, war das eigentlich noch erstaunlichere.

Wir kennen das ja eigentlich von früher – mit 10 gegen 11 wird sich eingeigelt. 6er Kette am eigenen Strafraum, 2 “halboffensive” im Mittelfeld und ein einsamer Stürmer am Mittelkreis. Nicht so St. Pauli.

Munter weiter offensives Kombinationsspiel. Natürlich jetzt etwas weniger dominant, natürlich hinten abgesicherter, aber das was die da mit zehn Leuten gemacht haben, war besser, als alles was ich letzte Saison live am Millerntor erlebt habe. Duisburg drehte auf, aber für mein Empfinden war St. Pauli immer noch nahezu gleichwertig, trotz Unterzahl. Und Duisburg hatte wahrlich nicht schlecht gespielt. Auch nach dem 2:2 kein Einbrechen, sondern weiter der Versuch noch das 3:2 zu erzielen. Ich war eeecht erstaunt. Möchte fast sagen begeistert. Wenigstens nachdem ich mich abgeregt hatte 🙂

Irgendwie kann die Truppe gerade guten Fußball spielen, trotzdem im richtigen Moment kämpfen und das auch noch beides zeitgleich zeigen. Wenn das so weitergeht, ahne ich eine Entspannte Saison im oberen Mittelfeld. Oder so 😉

Die schlechte Nachricht des Wochenendes lautet also: Tabellenführung vergeigt.
Die gute lautet: Aachen war keine Eintagsfliege, was den Fußball anging. Das wird. Toll. Hoffe ich!