Monika, och…

Stellen Sie sich die folgenden Zeilen bitte ungefähr im Tonfall von Sophia Petrillo von den Golden Girls vor.
Also im „Sizilien, 1932…“-Tonfall.

Hamburg, 1983 (oder so)…

Wie das so ist, fing die Schule an.

Also nicht irgendwann um 8 Uhr morgens, sondern Lebensphasenstyle-irgendwann mit ungefähr sechs Jahren.

Natürlich auch beim kleinen Curi. Und nein, nicht was Sie jetzt mit „kleiner Curi“ assoziieren, sondern einfach nur der junge Junge C.

„Irgendwann“ war 1980. Und Schule war zunächst „nur“ Vorschule. Aber mein bester Kindergartenfreund kam bereits in die erste Klasse und der kleine Curi wollte dann wohl auch. Dringlich.

Irgendwann dann eben Grundschule und Mittelstufe und Oberstufe und Zivildienst und Uni und Leben und so… aber ich schweife ab.

Da unsere Lehrerin Frau R. bereits älter und körperlich etwas eingeschränkt war gab es für uns in den ersten zwei Jahren der Grundschule keine Klassenfahrten. Frau R. wollte sich das alles nicht zumuten, und damals war das dann wohl noch so. Frau R. hielt es wohl auch für keine allzu schlechte Idee, uns bei ungehorsam auf die Finger zu schlagen, von daher war es vielleicht auch sonst keine allzu schlechte Idee, nicht mit Frau R. länger als nötig in einem Raum…

Aber wie das so ist in dem Alter, ich liebte sie heiß und innig.
Und dann wurde sie krank und wir bekamen eine Vertretungslehrerin. Frau C.

Die mochte ich nicht. Meine Mutter erzählt heute noch gern, dass ich Frau C. die Schuld daran gab, dass Frau R. nicht mehr zu uns in die Klasse kam. Die frühkindliche Version von „die kommen und nehmen uns den Job weg“, fürchte ich.

Zum Glück bin ich heute etwas älter und reifer und überhaupt.

Frau C. jedenfalls fand dann, damit wir uns alle, sie und ich und der Rest der Klasse, besser kennenlernten, wäre doch eine Klassenfahrt – meine erste Klassenfahrt – eine großartige Idee.
Ich war da zum Einen etwas gestresst, weil ich dank einer schweren – bei einem Aufenthalt bei meiner Großmutter ausgebrochenen – Scharlacherkrankung den Kausalzusammenhang „Nicht zu Hause schlafen => Krank“ gefunden und deshalb eine gewisse Skepsis gegenüber einer Woche im gefühlten Ausland hatte. Zum anderen etwas gestresst, weil das ja auch hieß, dass ich mit meiner Sandkasten-Grundschulenflamme Monika unfassbar viel Zeit verbringen könnte.

Monika wusste naturgemäß nicht, dass sie meine Flamme war – Sie kennen das. Ich war 8 oder 9 und irgendwie wäre ich wohl auch völlig damit überfordert gewesen, hätte sie es gewusst (oder gar die kindliche Zuneigung erwiedert)…

Strenggenommen sprachen wir meiner Erinnerung nach nicht miteinander. Damals – jedenfalls bei uns in der Schule – sprachen Jungs und Mädchen nicht viel. Eine Art selbst auferlegter Geschlechtertrennung, die erst zum Ende der Grundschule durchbrochen wurde.

In meinem Kopf war Monika jedenfalls großartig. Rote Haare (!), Sommersprossen, ein mich irgendwie beeindruckendes Lächeln.

Nun denn. Die Planung zur Klassenfahrt lief, irgendwie mussten Dinge organisiert werden, die dazu führten, dass Frau C., meine Eltern, und die Eltern der Mitschüler die ich so mitbekam, aktiver waren, als sonst. Der Aufregungspegel in der Klasse wuchs quasi täglich, und die Wartezeit auf die Klassenreise (ich schätze sie auf 2-3 Wochen, die ich davon als Wartezeit erlebte) zog sich unfassbar lang. Das betrachtet man als 8 Jähriger halt auch noch mit anderen Maßstäben.

Am Vor-Vorabend… also am Vorabend des Tages vor der Klassenreise – Abends war ich damals nämlich schon im Bett – gab es dann noch ein letztes Treffen der betroffenen Klasse, der Eltern und natürlich Frau C.
Ich erinnere mich düster, dass ich in einer, in meiner Ecke der Klasse rumsaß und irgendwie keine Lust hatte.
Ich erinnere mich auch, dass Monika nicht da war. Aber das waren auch andere. Wie üblich hatten nicht alle Eltern Zeit oder Lust oder es irgendwie für nötig befunden, sich zu versammeln. Ich glaube, das ist heute alles sehr anders. Auch was die Disziplinierung von ausscherenden Eltern angeht.

Und dann war es früh Morgens irgendwann 1983 im Spätsommer. Oder so. Die Klasse versammelt sich, entert den Bus. Also den Nahverkehrsbus. Die Reise führte uns von der Stadtteilgrenze Bahrenfeld/Ottensen nämlich ins unfassbar entfernte Rissen.
Drei Jahre später fuhr ich diese Strecke mit dem Fahrrad in ungefähr einer Dreiviertelstunde.

Diese Weltreise also begann banal im 188er Bus des HVV. Ich vermute ganz stark, dass wir bis Altona fuhren, dort in die S-Bahn umstiegen, nach Rissen fuhren und dort… keine Ahnung mehr.

Jedenfalls erreichten wir das Heim, irgendwo im Wald, stürmten die beiden großen Schlafsäle (Mädchen und Jungen getrennt versteht sich), und machten, was man in dem Alter wohl so macht. Balgten uns um die Betten, und mussten diese dann beziehen. Selbsttätig. Etwas, worauf meine Mutter mich akribisch vorbereitet hatte. Ich war wohl etwas… nun sagen wir skeptisch gewesen, ob ich das wohl allein… Mamajob… die Decke so riesig und der kleine Curi eben noch so klein und hilflos.

Ging dann aber. Ich weiß heute noch, dass ich es als persönlichen Sieg empfand, dass ich die Decke mit Hilfe von Sicherheitsnadeln irgendwie bezogen bekam, und dass auch das Bettlaken sicher auf dem Bett äh… war.

Wir liefen raus, erkundeten das Gelände, Frau C. wachte bestimmt über allem, aber an sie erinnere ich mich nicht mehr.

Tischtennisplatten! Steinerne. Die mit dem Metallnetz. Kein Profiequippement. Ja, wir waren eine nörgelige dritte Klasse. Egal. Was man dann so spielte bei uns hieß „Runde“. Also alle Jungs an einer Platte, nach der Ballberührung wanderte man um die Platte und der nächste in der – ich möchte „Polonäse“ schreiben – war dran. Wer den Schlag versemmelte war raus. Das Spiel wurde also je länger es dauerte dynamischer, weil natürlich immer weniger um die Platte rannten.

Es wurde wohl düster, Frau C. wies sicherlich in pädagogisch sinnvoller Form darauf hin, dass die jungen, sportlichen Herren sich so langsam mal dem Abendessen widmen mögen. Aber zackig.

Mehr oder weniger zivilisiert enterten wir den Essens-Saal und besetzten die lange Tafel. Auf der einen Seite die Jungs, auf der anderen die Mädchen. Bzw. zunächst niemand, weil die Mädchen offenbar noch gar nicht vor Ort waren.

Erhaben saßen wir dort, warteten auf unsere Gegenüber, und machten, was achtjährige Jungs eben so machen. Denke ich mir. Dann stürmte die weibliche Hälfte der Klasse herein und setzte sich. Ich weiß, dass ich plötzlich dachte, es sei doch super, wenn sich Monika mir gegenüber setzte.

Sekunden später saß Nicola vor mir.

Diese Enttäuschung ist bis heute in mir. Und sie wurde nicht kleiner, als ich begann mich zu wundern, wem gegenüber Monika denn wohl sitzen würde.

Monika nämlich saß nirgendwo.

Wie sich herausstellte, war Monika überhaupt nicht mitgefahren. Und es war wohl auch nie geplant gewesen.

An diesem Informationsdefizit meinerseits merkt der geneigte Leser wohl, wie viel wir sonst miteinander kommunizierten.

Der Rest der Woche verging irgendwie, ich weiß nicht mehr wie, die Enttäuschung beim Abendessen ist die letzte Erinnerung, die mir präsent ist.

Ob die fehlenden Erinnerungen nun Folge der Traumatisierung sind? Die mir aus dem Herz gerissene Flamme, meine zukünftige Gemahlin und Gefährtin, Partnerin bei dem, was Paare wohl so machen (nicht, dass ich seinerzeit eine Idee gehabt hätte, was das sei) und so weiter… Nicht da. Nicht bei mir. Oder ob das doch nur am Alter (also am heutigen. An meinem) lag, nun. Bilden Sie sich eine eigene Meinung.

Die Woche – ich erwähnte es – verging also. Wir kehrten heim. Und Tags darauf war Monika nicht in der Klasse.
Auch am Tag darauf nicht.
Und am Tag darauf.
Oder darauf.
Oder am folgenden Tag.
Auch nicht am nächsten Tag.

Möglicherweise sind die Tage in der Aufzählung durch ein Wochenende unterbrochen. Der lyrischen Dramatik wegen erlaube ich mir allerdings, das auszublenden.

Wo war ich? Monika war fort. Verschwunden. Hatte die Schule gewechselt. Nicht, dass mir das mitgeteilt wurde, aber muss sie wohl, schließlich kam sie am Tag darauf auch nicht (gut, es wird langsam etwas eintönig).

Das erste Drama meines noch jungen Lebens. Die große Liebe verschollen.

Nun. Tischtennisplatten hatten wir auf dem Schulhof auch. Ich spielte also weiter mit den Mitschülern „Runde“.

Nur Monika. Och…

Jahre später sah ich aus dem Bus heraus ein gleichaltriges Mädchen, das ungefähr aussah wie Monika in dem Alter dann wohl ausgesehen haben mag. Ich lächelte sie aus dem Bus an. Das ging dann mit 13 oder so etwas leichter als mit 8. Auch dank der dicken Glasscheibe zwischen uns.

Monika schaute …

…am Bus vorbei und verschwand im Altonaer getümmel.

Die Null muss stehen

Reden wir über Fußball

FC St. Pauli : Eintracht Braunschweig. 1:0.

Bemerkenswert für mich drei bis sieben Dinge:

Zu Null. Und zwar völlig zurecht. Braunschweig mit gefühlt 1,5 ernstzunehmenden Torchancen, die Tschauner in der aktuellen Form fast schon entspannt einsackt.
Sonst war da wenig, was mir Sorge machte.

Zugestellt. Das war der Haupt-Grund für das zu Null: Die Viererkette und je nach Situation drei bis fünf Mittelfeldakteure standen in der Defensive einfach auch verdammt gut. Die Passwege in die relevanten, weil torgefährlichen Zonen waren meist sicher zugestellt. Okan Kurt, Dennis Daube und Flo Kringe harmonierten meist gut im zentralen Mittelfeld. Zwei der drei meist vor der Viererkette, einer (meist Kringe, später Aloushi) auf den ballführenden Braunschweiger. Parallel Verhoek, der half und gerade bei Ballbesitz Braunschweig sehr viel ackerte, Anspielstationen zulief, oder eben auch versuchte direkt auf den Ballführenden oder den Ball zu gehen.

Zusammen: Natürlich ist es leichter, das Gefühl zu haben, da steht eine Mannschaft auf dem Platz, wenn es läuft. Und 1:0 hatten wir halt länger nicht mehr so richtig. Aber trotzdem da wurde gemeinsam was versucht. Anders klappt das mit dem Zustellen ja auch gar nicht. Immer wieder Szenen, in denen es unaufgeregte Kommunikation gab, die von den Gesten das Gefühl gab, es ginge um die Spielsituation.
Kringe, der immer wieder aufpushte, forderte auf die ballführenden Braunschweiger zu gehen. Tschauner, der gerade die jüngeren (welche Älteren wären überhaupt noch da gewesen? Eben) immer wieder anspornte, Aktionen lobte.
Nöthe und Rzatkowski die immer wieder defensiv dabei waren, geradezu hinter den jeweiligen Spielern hinterher jagten.

Kopfbälle: Sobiech und Ziereis. Die erste Innenverteidigung in dieser Saison, bei der ich mich „sicher“ fühlte. Thorandt und Ziere wirkten unkoordiniert. Gonther und Sobiech vielleicht noch nicht eingespielt genug. Gestern passte das. Einer war immer, wenn es hätte brenzlig werden können in Ballnähe und warf sich in den Zweikampf. Einer stand meist etwas weiter weg. Aber die zentralen Kopfballduelle in der Mitte wurden gefühlt fast alle gewonnen.

Tschauner: Das was kam gehalten. Was mir schon die ganze Saison gefällt ist, dass er mehr und mehr versucht aktiv das Spiel mitzugestalten. Gerade bei Ballbesitz.
Und das ist im Zweifel auch genau das, was zu seiner immer schon vorhandenen Reaktionsschnelligkeit und Stärke  auf der Linie und im 1:1 noch fehlte. Auch bei Ecken und Flanken geht er (glaube ich) direkter auf den Ball, fing diesmal auch zwei, drei Dinger direkt ab, bevor da ein Feldspieler zwischen kommen konnte.
Dazu fühlte es sich für mich so an, als würde er seine Kapitänsbinde dadurch rechtfertigen, dass er sein Team auch neben dem fußballerischen Unterstützte.

Noobs: Okan Kurt und Andreij Startsev. Richtig gut gespielt. Okan gefiel mir von Anfang an. Wollte den Ball oft, und gab ihn dann auch nicht mehr zurück. Viele Pässe, gute Ideen, und in den Nicht-Risikopässen sehr sicher. Wurde nach und nach immer sicherer und besser.
Startsev in den ersten 15 noch irgendwie etwas unsicher, sah 2, 3 Mal so aus, als hätte da was auf seiner Seite anbrennen können – brannte es aber nicht, wohl auch dank dem Support aus der IV. Trotzdem: Großes Spiel. Inklusive guter Impulse nach vorne.

Dazu Dennis Daube mit einem prima Spiel. Auch hier in den ersten Minuten ein paar irgendwie ärgerliche weil nachlässige Ballverluste, danach immer stabiler. Ein paar richtig schöne Pässe in die Schnittstelle. Schön.

Nicht so gut war der Schiri, der irgendwie „schief“ pfiff. Viele Aktionen der Braunschweiger ließ er laufen. Viele der Braun-Weißen pfiff er ab. Paar für mich klare taktische Fouls der Braunschweiger ohne Karte, dafür Ziereis (zurecht) gelb für Trikotziehen (auch taktisch, aber in meinen Augen richtig von Ziere, in der Situation die Gelbe zu ziehen. Der Gegner wäre ihm sonst enteilt und er selbst hätte hinten gefehlt.).

Verhoek fällt viel. Ich hab ja gar nichts dagegen, wenn Spieler ab und an mal versuchen, Situationen in unserem Sinne zu gestalten, aber das sieht mir noch zu „gewollt“ aus. So wird das nix.

Ja, ich weiß, „Du kannst das doch nicht gut finden, wenn Du über $sonstwen meckerst“. Doch, kann ich. Ich mache nämlich immer noch Unterschiede zwischen „unseren“ und „den anderen“. Wenn der Schiri für uns pfeifft, ist er zwar schlecht, aber mir egaler, als wenn er für die pfeifft. Isso. Ich will, dass „wir“ gewinnen. Nicht die.

Erinnert Ihr Euch noch an das Düsseldorf-Spiel vor zwei Jahren? Wo wir naiv und brav von schlitzohrigen und dreckig spielenden Fortunen abgezockt wurden? Alle waren sich einig, dass wir zu naiv sind. Verhoek könnte einer der Spieler sein, der genau das nicht ist. Der da Kontrapunkte setzt.

Gefiel mir übrigens auch gut, wie Kringe, Daube, Sobiech und Ziereis bei Freistößen für Braunschweig immer wieder den Ball zustellten und so das Momentum raus nahmen. Genau so musst Du das spielen.

Oder am Ende, als der Ball mehrfach schnell nach links vorn gespielt wurde. Vier St. Paulianer in Ballnähe. Ball halten, Fuß drauf stellen, Uhr runter spielen. Das ist nicht schön, aber genau so was ist einfach immer mal wieder nötig.

Torausbeute: Das ist jetzt das Luxusproblem – aber da ging mehr. Drei, vier Kontersituationen hätten sauberer zu Ende gespielt werden können, dann wäre es auch am Ende weniger spannend gewesen. Egal. Gewonnen!

Und schließlich: Der Trainer. Schulle jetzt mit 3 Punkten aus zwei Spielen an der Linie. Besser, als Meggle. Was will uns das sagen?

Danke an die Mannschaft und das Team. Bester Auftritt seit Monaten. Trotz (oder wegen?) diverser verletzter Stammspieler. Weiter so. Das war noch nicht alles gülden, aber immerhin schon mal wieder nicht nur Blech.

Und finally: Trybull? War was die Einsatzzeiten anging eigentlich auf dem Weg zum Stammspieler. Jetzt komplett aus dem Kader? Hm. Das sah ja letzte Saison schon teilweise sehr lustlos aus. Zusammenhänge? Ich unke nur.

Rasenball von draußen

Ich habe glaube ich auf diversen Plattformen schon mal mehr, mal weniger deutlich meinen Unmut über das Wirtschaftskonstrukt Rasenball Leipzig geäußert.

Nun spielen die ja seit diesem Sommer nicht mehr irgendwo im unterklassigen Fußball , sondern in der weltbestesten zweitesten Bundesliga allerster Zeiten (so ungefähr behauptet es jedenfalls der Pay-TV-Sender der Wahl). Von daher wächst die persönliche Relevanz, immerhin müssen wir voraussichtlich doch zwei Mal gegen die spielen.

Und dann liest man eben mal ein bis fünf Diskussionen auf Twitter. Sind die wirklich so schlimm, wie wir alle denken? Warum? Sind „alle Leipziger scheiße“ oder ist es eigentlich nur die Vereinsstruktur? Was wäre eigentlich gewesen, wenn in unserem Beinahe-Insolvenz-Jahr irgendwer vor der Tür gestanden hätte mit 20 Mio Bargeld und uns direkt in die zweite Liga zurück „gekauft“ hätte?

Also mal der Versuch, das ganze für mich zu sortieren, ohne Anspruch auf abschließende Wertung:

Erstens – Fans:

Ich kann das überhaupt nicht beurteilen. Ich bin in Hamburg Ottensen/Bahrenfeld groß geworden. Ich war mit 16 in dem Stadion, in das ich halt geschleppt wurde. Ich bin seitdem dort geblieben. Ich hatte nie eine wie auch immer geartete „Wahl“, weil ich nie eine brauchte.

Aber offen gesagt, wäre ich wohl nie Fan eines Viertligisten geworden, nur weil der ortsansässige Zweitligist eine zu beäugende Wirtschaftsform gehabt hätte.

Wäre ich gestern 16 gewesen und zufällig in Leipzig groß geworden… Hätte man mich ins Stadion der Rasenballen geschleift, hätte ich einen Sieg gesehen, wäre die Stimmung nett gewesen… Wer weiß? Ich bin nicht so vermessen zu behaupten, dass ich mich dagegen entschieden hätte, wegen einer Rechtsform, die mich – seien wir nochmal ehrlich – aus der dann ja vorher neutralen Perspektive wenig interessiert hätte.

Und hey, viele von „uns“ alten Säcken sind irgendwann mal in irgendein Stadion gekommen und dann wahrscheinlich ohne groß drüber nachzudenken hängengeblieben. Kann ich keinem Vorwerfen.

Long story short: Ich denke, die Fans von RBL kann ich erst mal verstehen.

Und was mich ja schon irgendwie nervt ist der Vorwurf der mangelnden Tradition. Wenn es danach geht, darfst du nämlich nirgends mehr einen Verein gründen, weil man ja dann keine Tradition hat. Und wir St. Paulianer dürften uns auch nicht melden, weil unsere „Tradition“ – die Werte für die wir heute irgendwie stehen – auch gerade erst entspannte 35 Jahre oder so jung ist.

Zweitens – „Verein“:

Nachdem die Fans ja – siehe oben – erstmal kein prinzipielles Problem sind, kommen wir zu dem, was wohl eines sein könnte.

Was man – von hier – so liest, halt ein paar honorige ältere Herren, die alle beim Hautpsponsor angestellt sind. Zugangshürden, die verhindern, dass andere in diesen Verein eintreten. (IIRC dürfen die jeden Antrag grundlos ablehnen und die Mitgliedschaft ist richtig teuer).

Finde ich ziemlich schwierig alles.

Aber… auch hier wieder: Wie viele von denen, die laut schreien engagieren sich irgendwie aktiv für ihren Verein? Und ich meine jetzt gerade das aktiv der letzten Ordnung, nämlich einmal im Jahr auf der JHV aufschlagen und irgendwas mitbeschließen.

Und wie viele stehen nur auf der Tribüne und motzen?

Da ist es dann leider auch nicht weit her mit der Legitimation der Kritik, so wahr sie sein mag.

Mal ab davon gibt es eben mit dem VFL Wolfsburg und Bayer Leverkusen schon zwei Clubs, die Tradition (als Betriebssport-Team) haben, die sich eigenständig (und seinerzeit noch ohne Besitzer/Sponsor-Millionen) nach oben gekämpft haben, und aus meiner Sicht schon „dazugehören“, auch wenn mich das – gerade bei WOB gewaltig nervt. Aber so gigantisch ist der Unterschied zu anderen Vereinen dann eben doch nicht, bis auf den potenten Sponsor. Da ist die Grenze zwischen Neid und berechtigter Kritik leider auch oft sehr schmal.

Die SAP Filiale im Südwesten ist wieder etwas anders gelagert und aus vielen Gründen ablehnenswert, aber auch hier gibt es objektiv so das eine oder andere Problemchen, wenn man mal über den Schatten springt und sich an Papa Weisener erinnert. Ja, der gute Herr hat sich sein finanzielles Engagement was so überliefert wurde dann doch ganz gut vergolden lassen (Zinsen etc.), aber wenn Papa Heinz in den frühen 90ern angekommen wäre und mit dem 30 Mio. Scheck gewunken „Kinnings, ich schenk Euch Kohle für Nachwuchsarbeit und zwei Verstärkungen, wir wollen in den Landesmeisterpokal!“ … ja, hätten wir uns gewehrt? Hätten wir?

Drittens – Das Konstrukt:

Now we’re talking. Das Konstrukt dass der Getränkeanbieter da aufbaut ist in meinen Augen nämlich das eigentliche Problem. Da werden dann Spieler von Sponsorenkohle aus Leipzig gekauft, nach Salzburg verliehen oder umgekehrt. Oder nach Südamerika und zurück.

Und ja, das ist irgendwie ungerecht. Genauso wie die Sponsorengelder, die offenbar dazu zur Verfügung stehen „ungerecht“ sind.

Weil die Idee eigentlich (und wenn man den Kapitalismus einfach mal als gegeben annimmt) mal war, dass die Sponsorengelder mehr werden, wenn der sportliche Erfolg oder die mediale Präsenz (schon die erste Ableitung vom Standardmodell des Kapitalismus im Fußball) wächst.

Keine Sau hätte sich für die Rasenballer interessiert, wenn da nicht die Brausekuh eine Rolle gespielt hätte. Der sportliche Erfolg wäre auch nicht eingetreten, also kein Geld, keine neuen Spieler, kein durchmarsch in die Champions-League.

Das ist (ja, mimi) ungerecht. Und gerade im Umfeld mehrerer Clubs, die eine gemeinsame sportliche Leitung haben auch genau gegensätzlich zu dem, was Fußballvereine so ausmacht. Wenn die sich in den nächsten Jahren geschickt anstellen, noch drei bis sieben Filialen in unterschiedlichen Ländern dazu eröffnen etc. pp. Haben wir dann nämlich irgendwann mal eine Blubberochsen-Euro-Winners-League oder so, in der dann die 8 Rotwasser-Teams gegeneinander spielen. Weil sie „sportlich“ qualifiziert sein. Weil sie aufgrund der Kohle im Hintergrund und der Möglichkeiten Spieler im Konzern möglichst gewinnbringend in die jeweils sinnvollste Filiale zu verschieben einfach Acht Teams de facto aus einem 240-Personen-Kader bestücken können. Halbjährlich anpassbar.

Und weil man für einen 240-Personen-Kader natürlich entsprechend mehr Infrastruktur haben kann, die das unterstützt, weil Fehleinkäufe so besser kompensiert werden (dann landet der für den CL Sieger zu schwache Spielmacher eben im Winter beim drittstärksten Club oder so..).

DAS finde ich schlecht. Das geht an allem vorbei, was ich irgendwie für mich rechtfertigen oder nachvollziehen kann. Das macht – langfristig – nämlich wirklich „den Fußball kaputt“ so blödsinnig dieses Statement sonst auch so ist.

Wenn man diesen Gedanken weiter denkt, haben wir in 20 Jahren fünf Unternehmen die jeweils 10 Clubs in 10 Ländern haben.

Kann man bestimmt auch gut finden. Ich finde die Vorstellung gruselig. Mehr als. (und ja, ich bin da inkonsequent. In der Formel 1 kann ich mir gewisse Sympathien für die dortige Tochter des Leipziger Sponsors nämlich nicht verkneifen. Aber F1 ist „für mich“ auch eh klassisch ein Viel-Kohle-Ding. Mal ab davon, dass ich da keine Breitensportabteilung erwarten würde…).

Was also machen mit dem Rasenball?

„Da“ sind sie, und ich ahne, dass sie auch nicht so schnell verschwinden, es sei denn das rote Getränk sucht sich ein anderes Hobby. Anti-Aktionen, so wie neulich in Berlin (Schwarze Regenjacken)  finde ich eigentlich ganz cool. Ändern werden sie aber kaum was. Vielleicht schaffen so Aktionen es, Aufmerksamkeit für das Thema zu wecken, wenigstens dort, wo man noch was beeinflussen kann. Aber vielleicht ist das wie mit der Satire, die eh nur konsumiert, wer sie nicht bräuchte, weil man nur das satirisch aufnimmt, was sowieso der eigenen Position entspricht.

Ist das jetzt ordentlicher? Keine Ahnung. Ich mag RBL nicht. Aber das wird denen scheißegal sein.

Und eigentlich hab ich auch mehr Bock mit „meinem“ Verein einfach so besser/cooler/sonstwas zu sein, als einfach nur über „die“ zu motzen.

Eigentlich können „die“ mir nämlich weitgehend egal sein. Wenn wir alle versuchen, unseren Verein so gut es geht zu dem Verein zu machen, den wir gerne hätten..(ja, romantisch. Egal)… Wisst Ihr selber.

Macht was draus.