Luftballons

Ab und zu kommt mir die Welt vor wie ein großer Platz, auf dem wir alle stehen. Und auf dem wir miteinander reden, handeln, singen, lachen. Auf dem wir uns gegenseitig helfen und hassen. All das, was Menschen eben so treiben.

Und wenn da, hinten links, bei den anderen, die ich von hier gerade noch hören kann, irgendwas los ist, wabert das Gemurmelte von dort herüber und ich denke mir, was da wohl los ist.
Und wenn da noch weiter hinten, wo ich es gar nicht mehr sehen kann, etwas passiert und der Wind das Gemurmelte zu mir rüber trägt und verstärkt, weil die dazwischen auch was dazu sagen und murmeln, brummt schließlich der ganze große Weltlebensplatz in Aufruhr.

Und ich stehe dazwischen und weiß nichts, außer Gemurmel von nebenan, das eine Interpretation des Gemurmels von nebenan ist, das eine Interpretation des Gemurmels von nebenan ist…

Stille Post.

Post statt Stille.

Und dann bläst jemand sein Gemurmel in einen Ballon voller Gedanken, ruft hinein was er denkt, was sie fühlt. Und je leerer das ist, was in den Gedanken-Ballon gerufen wird, desto mehr Luft wird mit den Worten in den Ballon geblasen.

Hey Ihr da draußen! Hier, bei uns! Ich!

Und die Umstehenden rufen dazu und der Luftballon füllt sich mit Leere und Luft.

Und je mehr Luft in diesen Ballon fließt, desto wärmer wird die Luft. Weil mehr Luft ja mehr Druck und weil mehr Druck mehr Wärme bedeutet.

Und wenn die Luft im Ballon warm genug ist, fängt er an zu steigen.

Und je höher er steigt, desto kleiner sieht er vom Weltlebensplatz aus. Ein kleiner, dunkler Punkt voller Luft. Wie eine dunkle Seifenblase.

Und weiter steigt er und steigt und dehnt sich aus, weil warme Luft eben mehr Raum einnimmt und weil Ballons voller Leere leichter sind als Ballons voller schwerer Gedanken.
Und weil der Ballon dort oben noch mehr Sonne kriegt, die ihn erwärmt, dehnt er sich weiter aus und wird noch größer und wird mehr und fliegt noch höher.

Und auf dem Weltlebensplatz wird es dunkel unter dem leeren Gedanken-Ballon voller heißer Luft, der vor die Sonne fliegt.

Im Schatten haben die Menschen Angst. Im Schatten wird es kalt.

Und was machen wir, wenn wir Angst haben?

Wir reden davon und rufen in einen neuen, in unseren Ballon, damit alle es hören und alle wissen, was ist und jemand kommt und uns rettet. Vor unserer Angst aus heißer Luft.

Und weil einige glauben, dass wir unsere Angst in den Ballon stecken können und sie dann weg ist, steigen Gedanken-Ballons aus Angst vor heißer Luft und voller heißer Luft auf und verdunkeln die Sonne noch mehr und der Himmel ist voller Ballons und es wird wirklich kalt auf dem Weltlebensplatz.

Ich will keine Ballons voller heißer Luft mehr vor der Sonne.

Lasst uns doch endlich, endlich aufhören, vor heißer Luft Angst zu haben!
Und vor Angst mehr Angst und mit Angst noch mehr heiße Luft zu produzieren.

Lasst uns Stecknadeln nehmen und die Ballons zum Platzen bringen!

Ich will eine Armee aus Stecknadeln.

Autokaufen

Macht man ja quasi täglich, das mit dem Auto kaufen…

Also grübelt man gefühlt ein Vierteljahr, vielleicht auch ein halbes, über Optionen, und was wie sinnvoll sei, oder eben nicht, und ob und was überhaupt bezahlbar, und was man eigentlich möchte, und so.

Und ob gebraucht, oder ob neu, und ob finanziert, oder doch eher bar, und wer, und woher nehmen, und oh gar nicht mal so billig.

Dann grübelt man noch etwas mehr, liest Berichte und Tests und wälzt Zahlen. Was welches verbraucht, was jenes so kostet, in der Wartung, wie haltbar und welche Pannen, und welche nicht, und der Werterhalt, und der Wertverlust, und die Versicherung und und und.

Noch ein Und später einigt sich mit sich selbst, irgendwie und irgendwann, ungefähr auf ein oder zwei Modelle, fährt probe und findet das eigentlich alles ganz schnafte.

Und man lässt sich mal ein unverbindliches, erstes Angebot und so…. Und fährt nochmal probe, länger, achtet auf die Dinge, auf die man beim ersten Mal nicht… findet das alles rundum okay, eigentlich… Und denkt sich, wie das wohl aussähe, wenn es das sei, aber so, wie man selbst es sich vorstellt, nicht wie man es probefuhr.

Mit anderer Farbe und anderem Dach und hier und da eben anders.

Und noch ein Und später denkt man dann, man hätte es.

Fertigkonfiguriert.

Nach ca. 380 Besuchen beim Online-Konfigurator der Automarke der Wahl ist alles drin, was rein soll und alles dran, was so dran muss. Und man weiß tatsächlich endlich nach Wochen des hin- und herdenkens eigentlich, quasi, fast, also fast ganz wirklich und greifbar was es kann, und wie es aussieht, und dann geht man zum Autohändler.

Und der sagt einem dann, dass man sich zwar formidable Gedanken gemacht hätte, und der Onlinekonfigurator auch unfassbar toll, aber leiderleider, nunja… das sei noch die 2015er Ausstattungsvariante und die Pakete … er könne natürlich mal schauen, aber eigentlich und zu seinem eigenen Unwillen… könne er leider nur noch 2016er Pakete und Varianten bestellen.

Aber mal suchen, ob es das 2015er-Modell, dass man sich so zusammengeträumt hätte vielleicht noch irgendwo bei einem anderen Händler rumstehnein leider nicht.

Alles von vorne, alles neu denken. Statt „Club“ also „Lounge“ – wenigstens wahrscheinlich und wenn man dann dieses Häckchen und jenes setze und hier jenes Paket dazu, dann hätte man es eigentlich, quasi. Etwas anders, aber irgendwie gleich. Vielleicht weniger Leder dafür mehr anderer Schnickschnack moderne Technik. Abblendlichtautomatik. Fernlichtautomatik. Und der Preis wäre ja dann auch ungefähr fast genauso.

Und vielleicht wollte man heute eigentlich einen Kaufvertrag unterschreiben und das Thema dann damit quasi abhaken. Also bis es dann geliefert würde und man es bezahlen müsste.

Wahrscheinlichbestimmt.

Aber im richtigen Leben nimmt man dann also erstmal das nächste Angebot mit nach Hause und grübelt noch mal. Ob die „Teil-Ledersitze“ einem wichtig gewesen wären, oder nur gewissermaßen zufällig Teil des ursprünglich gedachten. Was man mit LED-Tagfahrlicht wollen könnte und ob der Spurhalteassistent ein feines Feature ist oder nur nervt, weil man keine Lust hat den Fahrtrichtungsanzeiger zu verwenden.

Scheiß Kommerz

(Das wird gleich alles ein bisschen unsortiert und nur Befindlichkeitsbloggen. Weiß ich. Und wer sich den Schuh nicht anziehen will, sollte das bestimmt auch einfach nicht tun. Es fühlen sich ja meist eh vor allem diejenigen angesprochen die ausdrücklich nicht gemeint sind. Aber bei einigen da draußen frage ich mich einfach wirklich… Naja.)

Wo steht eigentlich geschrieben, dass man als „fangeführter“ Verein, der politisch nicht automatisch die Fresse hält und bei dem es zumindest im „inner Circle“ oder im aktiverem Umfeld einen gewissen Konsens links der Mitte gibt „antikommerziell“ und damit in Geldfragen dumm oder erfolglos agieren muss? Und wie kommen gerade im Moment eigentlich alle darauf, dass der FC St. Pauli kein Interesse daran hat und auch nie daran hatte, Geld zu verdienen (und dann in Steine oder Beine oder sonst was zu stecken)?

Ich finde das gerade richtig lustig, wie viele von außen sich im Moment wieder bemüßigen uns unseren eigenen Verein zu erklären. „Ihr seid doch antikapitalistisch und wollt gar nicht gewinnen!“.

Da werden dann Klischees repliziert, wie aus tiefsten Anpfiff-Bundesliga Zeiten. Als hätte Ulli Potofski sie in die Welt geworfen. Aus dem Freudenhaus der Liga direkt auf die Fernsehsofas der Bundesrepublik.

Und irgendwie wirkt es so, als hättet Ihr gerade eigentlich nur Angst vor uns. Oder davor, dass sich was ändert. Warum? Weil Eure Clubs gerade entweder ganz gut mit der ach so solidarischen Verteilung der Fernsehgelder leben können? Oder weil infrage stellen bestehender Strukturen immer auch das Risiko beinhaltet, dass sich wirklich was verändert. Hilfe! Oh Gott! Veränderungen!

Wenn wir so lächerlich wären, wie ihr behauptet, wäre es doch eigentlich alles Wurst, oder?

Der Antrag wird abgeschmettert, alles bleibt wie es ist, Thema erledigt.

Aber es wird diskutiert.

Die Aufkündigung der Solidarität! Durch St. Pauli! Ausgerechnet!!

Äh what? Ehrlich, welche Solidarität? Die Zentralvermarktung? Die so ist, wie sie ist, weil alle Angst vor der Einzelvermarktung haben, und die deshalb bereits jetzt so ungerecht ist, damit der FC Bayern bloß nicht den Alleingang wagt?

Ernsthaft – die Solidarität mit Vereinen, die im Sky-Rating permanent keine Sau interessieren, wenn sie nicht gerade gegen Bayern oder den BVB spielen? Die Solidarität von Vereinen, die dank potenter Besitzer oder Quasisponsoren vor Jahren oder Jahrzehnten schon alles was auch nur riecht wie Solidarität in den Wind schossen? Die „den Deutschen Vereinsfußbal“ mal gepflegt mit dem Hintern anschauten und das anstrengende 50+1 aushebelten.

Wenn Allofs und Völler Dir widersprechen musst Du heutzutage ja an sich automatisch was Richtiges gesagt haben.

Ich weiß nicht, wie die optimale Fernsehgeldvermarktung oder -Verteilung aussieht, aber ich weiß, dass die aktuelle Verteilung maximal den Status Quo zementiert, statt irgendwie für vergleichbare Bedingungen in den Ligen und Standorten zu sorgen.

Weil die, die sportlichen Erfolg haben reicher werden und dadurch sportlichen Erfolg kaufen. Wie war das?

„Die Liga ist tot“

Aber wenn man irgendwas ändern will, ist auch nicht recht, weil es ja noch schlimmer kommen könnte als jetzt? Eine ach so tote Liga wiederbeleben will nämlich eigentlich auch keiner. Weil sich dann was ändern würde.

Oder weil Veränderungen auch heißen, dass der Abbonnements-Dritte plötzlich anders oder neu nachdenken müsste?

Könnte man ja mal diskutieren. Aber stattdessen AAAH DIESE KAPITALISTENSCHWEINE! Im Bundesligafußball. Weil wir mal darauf hinweisen, was schief laufen könnte. Müssen nicht immer noch 36 Vereine Anträge abstimmen? Müssten dann nicht wenigstens 19 Zustimmen? Wo ist also das Problem, wenn dieser Amok-Idiotenverein aus St. Pauli da seinen Alleingang wagt.

Und dann das Ding mit Upsolut – Da kauft (!!Die müssen betteln, nicht kaufen! SCHEISS PUNKER!1!) der Verein sich die Rechte an seinem Merchandise zurück, übernimmt das Unternehmen bei dem die bisher liegen – und es wird ernsthaft schon wieder die Kommerz-Keule geschwungen.

Weil der FC St. Pauli Geld ausgibt (das wir gerade sogar haben. EIGENES GELD!) und Ihr Angst habt, dass wir plötzlich auch welches verdienen?

Weil Ihr heimlich wisst, dass wir ein Gefühl verkaufen können und Ihr nur T-Shirts?

Liebe Grüße nach Berlin übrigens, ich find‘s zwar schade, dass Ihr raus seid, aber ich kann verstehen, dass ihr das jetzt lieber selbst organisiert.

Und dann hauen einen Fans von anderen Vereinen an und erklären einem, man hätte gerade seine Seele verkauft hat. Spätestens damit aber eigentlich schon vorher. Modemarke!

Vorzugsweise erklären das einem dann Anhänger der Vereine oder Firmen, die mit Glück wissen, wie man Seele buchstabiert und mit Pech nicht mal eine haben.

Nennt es USP wenn Euch Seele nicht passt.

Oder ist das Euer eigentliches Problem. Angst?

Weil Euer einziger USP ist, dass ihr in Eurer Stadt die reichsten seid?

Und schöner Fußball?

Weil Eure international aufgestellten Companies es in all den Jahren nie geschafft haben eine Identität für die Fußballtochter aufzubauen, die sich nicht nur über das, was da auf dem grünen Rechteck abspielt definiert, die mehr wird als nur das Anhängsel des Sponsors. Die mehr ist als ein Maskottchen und schöner Fußball?

Mit Glück bleibt der Sponsor oder der Name wenigstens immer derselbe.

Mit Pech wart ihr vor 10 Jahren Auto und vor 5 Jahren Bier, und in 5 Jahren seid Ihr Versicherung. Und „moderner Fußball“.

Merkt Ihr eigentlich, wie austauschbar ihr seid? Weil Ihr „nur Fußball“ bietet? Nichtmal Euer Stadion heißt noch wie letzte Woche.

Weil Eure Fanbase wegen des „tollen Fußballs“ im Stadion sitzt, und nicht weil sie mit dem Verein irgendwas verbinden. Weil ihr bei Wunderkerzen „scheiß Pyro“ denkt, während ihr heimlich die „Südländische Stimmung“ vermisst. Weil Eure Fangesänge aus Markennamen bestehen.

Denkt mal an das, was in den Bäuchen und Köpfen der Leute passiert, wenn sie an Euren Club denken. Welches Lebensgefühl strahlt Ihr aus? Wofür steht Ihr? Habt Ihr überhaupt einen Markenkern? Moderner Fußball?

Was passiert eigentlich mit Euren Zuschauern, wenn es mal nicht so läuft?

Ach, im Kino soll es ja inzwischen auch wieder ganz hübsch sein. Und Championsleague gibt’s auch bei Sky.

Und wenn einer den Arbeitgeber und die Stadt wechselt, fährt er dann noch zurück, um Euch zu sehen? Oder ist die lokale „schöner Fußball“-Version nicht eigentlich dasselbe nur in schwarzgrün statt in blauweiß?

Na? Markenkern? USP? Nix?

Mal was gewonnen oder hier mal im Finale? Vor 10 Jahren mal hübschen Fußball gespielt? Das ist ungefähr solange unique, wie ihr halt den hübschen Fußball spielt. Aber es gibt noch 100 andere, die das auch wollen und mit Pech für Euch in 2 Jahren besser als ihr machen.

Weil es 100 andere gibt, die mit Geld Erfolg kaufen wollen und mit Erfolg weiteres Geld um mehr Erfolg kaufen zu können sammeln wollen.

Angst davor, dass der FC St. Pauli mal sein Potential ausschöpft?

Mal nicht nur der charmante aber reichlich verpeilte kleine Club da im Norden ist, der eigentlich nie was gebacken bekam. Weil sich die Fans (DIE FANS! DIE HABEN DOCH KEINE AHNUNG!) in alles einmischen. Guckt mal, die Idioten haben nichtmal den Stadionnamen zu Geld gemacht! Der Verein, bei dem es als Wunder galt, dass überhaupt mal das Stadion umgebaut wurde. Wenn der Verein dann doch mal was macht, agiert, nicht nur reagiert. Ideen entwickelt und endlich – ENDLICH mal nach draußen trägt, statt sich um sich selbst zu drehen.

Mir ist es tausendmal lieber, mein Verein macht einfach was. Das beinhaltet übrigens auch mal was falsch machen. Tausendmal lieber als nix zu machen. Lieber gestalten und auf die Nase fallen, als gestaltet zu werden und eh schon rumliegen.

Wie war das? Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren? Kämpfen wir für unsere Ideale und unsere Ideen.

Vielleicht gewinnen wir ja sogar was.

Euer Gemotze ist doch eh nichts als verkapptes Lob, dass hier gerade mal was richtig gemacht wird.