Sexismus und so

Nachdem mich das Thema in den letzten Tagen häufiger irgendwie angesprungen hat schreibe ich also ein paar Gedanken dazu auf.

ich bilde mir ein, als Mann einigermassen "emanzipiert" zu sein. Ich respektiere Frauen als vollwertige Menschen. Wasche ab, Wasche Wäsche, habe kein Problem damit wenn Frauen Technik betreuen. All das. Dass ich das erwähne ist im Prinzip sexistisch, weil ich damit ein Stück weit in Klischees denke oder auf Klischees eingehe.
Die ganze Diskussion ist eigentlich sexistisch, wenn ich sage "Frauen sind vollwertige Menschen" kann man behaupten, dass ich damit zumindest in Erwägung ziehen würde, dass es auch anders sein könne. Egal.

Als Soziologe kenne ich den Begriff "soziale Konstruktion". Bestimmte Soziologen behaupten, dass alles was uns zu dem macht, was wir sind im weiteren sozial konstruiert wäre. Das Geschlechterverhältnis auf jeden Fall. Frauen und Männer sind nach ihrer Meinung vollständig gleich. Können prinzipiell das selbe gleich gut. Was in der Praxis nicht funktioniert kommt daher, dass wir – die Gesellschaft – durch unser Vorbild Unterschiede konstruieren und weitergeben. Mädchen spielen mit Puppen, weil man die ihnen gibt, nicht weil sie es möchten.

Nur: Sozial konstruiert ist (leider?) nur einiges. Männliche und weibliche Gehirne arbeiten zum Beispiel unterschiedlich, wenn es darum geht zu navigieren. Frauen lesen Stadtpläne anders als Männer. Nicht besser, nicht schlechter, anders. Für bestimmte Aufgaben effizienter, für bestimmte weniger effizient. Männer haben bestimmte Vorgehensweisen, Frauen andere. Männliche und weibliche Gehirne sind teilweise, so scheint es, unterschiedlich verdrahtet. Wieder: Nicht besser oder schlechter, anders.

Wenn man in die Aufmerksamkeitsforschung geht, sieht man: Frauen schauen stärker auf Texte, Männer stärker auf Bilder. Es gibt Theorien darüber, warum das so ist, aber für die Diskussion ist das egal. Diese Unterschiede sind – da in ich mir sicher – nicht sozial konstruiert. Oder leben wir dem Nachwuchs vor "schau mehr auf den Text"  bzw. "schau auf die Bilder"?

Halten wir also fest: Es gibt Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Übrigens gibt es auch unterschiede zwischen Ethnischen Gruppen, zwischen Altersgruppen, zwischen Menschen der selben Ethnie aber aus unterschiedlichen Gegenden (Bayern vs. Hamburger? Klar gibt es Unterschiede). 

Jetzt schreibt jemand hier http://www.kopfschuettel.de/ ein unterhaltsames, kleines Blog. In diesem beschreibt er ausgewählte Erlebnisse mit seiner Partnerin. Vielleicht sind die fiktiv, vielleicht nicht. Ein Mann schreibt über die Beziehung zu einer Frau. Und prompt: Sexistisch. Jedenfalls ist das ein schnell in der Luft hängender Vorwurf. Wenn er das selbe über seinen schwulen aber ebenfalls männlichen Partner geschrieben hätte wäre es wohl was ganz anderes. Aber so? Sexismus.

Wovon lebt das Blog? Davon dass Gegensätze zwischen den beiden Akteuren beschrieben werden. Diese sind hier nun Mal männlich und weiblich. Und – na klar – erfüllen bestimmte Klischees. Die Unterschiede zwischen den beiden machen das Blog also (für mich) lesenswert. Übrigens wäre ein Blog in dem eine Frau über ihre Erlebnisse mit ihrem männlichen Partner schreibt wohl ebenso lustig. Und sexistisch.

Aber: Ist das schlimm? Ist es schlimm, wenn jemand sich über Klischees lustig macht? Darüber scherzt, wenn jemand Klischees erfüllt? Sind nicht diejenigen viel schlimmer, die nicht in der Lage sind den Unterschied zwischen Klischee, Text und Realität zu erkennen?

Mit Vorurteilen ist es doch genau das Selbe: Wir alle haben Vorurteile. Einige geben das zwar nicht zu, aber rein psychologisch notwendig haben wir Vorurteile. Schubladen in die wir Material sortieren. Das ist enorm praktisch, spart es uns doch Unmengen an Zeit und Kapazitäten um jeden einzelnen Sachverhalt selbst zu prüfen. Wichtig ist hier, dass wir selbst in der Lage sein müssen diese Vorurteile im Zweifel und in jedem Einzelfall zu überprüfen. Wichtig ist es, offen zu sein dafür, dass jeder Einzelfall der Schublade widerspricht. Vielleicht ist auch die ganze Schublade Mist. Wir müssen in der Lage sein das in Frage zu stellen. Aber es spricht nichts dagegen an platten Verallgemeinerungen Spaß zu haben. Es spricht nur etwas dagegen, diese Verallgemeinerungen so zu glauben und in den Alltag zu übernehmen.

Um noch Mal zum Ausgangsthema zu kommen: Das Blog wird doch erst dann sexistisch, wenn es die Aussage trifft "alle Frauen sind immer so". Jeder hat doch vermutlich in seinem Leben genug erlebt, bei dem er oder sie sagen würde "ja, das entspricht dem Klischee". Und vermutlich genau so viel das nicht dem Klischee entspricht. Nur ist das – meist – weniger unterhaltsam. Und ist es nicht genau so sexistisch, sich offen darüber zu freuen, dass man von einer Frau in der Werkstatt bedient wurde?

Solange für mich selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer gleichwertig sind, darf ich finde ich auch Spaß an den Unterschieden haben. Gleichwertig, nicht gleich! Und das ist dann nicht sexistisch, sondern einfach nur realistisch. Den Spaß habe ich nämlich auch an Unterschieden zu anderen Männern, oder an Männern die männliche Klischees erfüllen. Oder daran, dass HSV Fans und St. Pauli-Fans Klischees erfüllen. Oder eben nicht. An mir, wenn ich ein Klischee erfülle. Und sei es nur das des arroganten Hamburgers.

Unsortiert? Kann sein, mußte aber mal gesagt werden. Und jetzt schlagt zu 🙂

Tote

Disclaimer: Einige Teile dieses Beitrags werden „pietätlos“. Das liegt schlicht daran, dass man solche Themen im meiner Wahrnehmung nicht diskutieren kann, wenn man sich auf den pietätvollen Bereich beschränkt. Ich will damit niemanden aufgrund seiner Einstellung diskrimieren, ich will nur Fragen in den Raum stellen.

Was genau ist es eigentlich, was Menschen in der großen Mehrheit dazu motiviert nahestehende Verstorbene nach gesellschaftlich etablierten Mustern zu „entsorgen“?

Ich kann mir grundlegend eigentlich folgende Perspektiven vorstellen, meine eigene:

Mein Geist ist das Ergebnis meines Körpers. Im Gehirn verschaltete Synapsen, die miteinander Informationen austauschen und dadurch mein Ich definieren. Meine „Seele“ ist also für mich das Resultat der körperlichen Voraussetzungen in einem bestimmten Teil meines Körpers. Der Rest des Körpers ist quasi das „Werkzeug“, das meinem Gehirn hilft sich durch die Welt zu bewegen, mit dem Außen zu interagieren etc.. Das heißt im Umkehrschluss, dass mein Körper als solcher am Ende nur eine Art Hülle ist, die mein Gehirn umherträgt. Ein nicht funktionierendes Gehirn entwertet diese Hülle. Vielleicht können Teile dieser Hülle einem anderen Gehirn helfen „getragen“ zu werden (z.B. in Form von Spenderorganen), aber mein Ich, meine Seele, mein Geist beenden Ihre Existenz zeitgleich zu meinem Gehirn. Also spätestens mit dem Zeitpunkt meines Todes. Ob man meinen Körper danach verbrennt, eingräbt, ins All schießt, im Meer versenkt oder in den Müll wirft ist mir vollkommen egal. Ich bekomme es sowieso nicht mit. Respekt erwarte ich natürlich auch hinterher, aber doch nicht vor meinem Körper. Respekt finde ich äußert sich in Erinnerungen an den Verstorbenen, in Zitaten. Nicht darin wie man meine leblose und nun auch wertlose Hülle behandelt.

Umgekehrt ist auch mein Umgang mit verstorbenen entsprechend. Ich habe überhaupt nichts davon das Grab meiner Großmutter am Friedhof zu besuchen. Gibt mir nichts. Ich erinnere mich gern an sie, aber anders. Ich denke in bestimmten Momenten an sie. Erinnere mich beim Essen daran, dass ich gerade eines ihrer Rezepte zubereitet habe, sehe sie auf alten Fotos und erinnere mich an Erlebnisse. Dabei ist völlig unerheblich ob und wo ihre sterblichen Überreste langsam vor sich hin verrotten. Eigentlich finde ich es sogar eher Respektlos, wenn man sich nur auf Friedhöfen an Menschen erinnert.

Auch aus der Perspektive eines Christen ergeben Friedhöfe nur begrenzt Sinn (man korrigiere mich bitte, wenn ich voll daneben liege):

Stirbt ein Christ wird seine unsterbliche Seele (Achtung, unsterblich) irgendwo hin überbracht. In den Himmel, ins Fegefeuer, in die Hölle. Je nach Lesart der Bibel. Entscheidend ist: Die Seele, der Geist, ist damit „entsorgt“. Der Körper – auch im Christentum die sterblichen Überreste – wird damit für das verstorbene Individuum wertlos. Wenn ein Christ im Himmel ist, benötigt er soweit ich weiß seinen Körper auch nicht mehr in irgendeiner Ankerfunktion (sonst müssten Christen mumifizieren, was sie nicht tun). Als Christ wäre mir also rein rational betrachtet der Verbleib meines Körpers nach dem Tod ebenso egal.

in beiden Standpunkten hat der Verstorbene selbst überhaupt keinen Vorteil davon, dass seine Überreste aufgehoben werden.

Bleiben also die Hinterbliebenen, die eine „würdevolle Bestattung“ wichtig finden können. Und da fängt es eigentlich für mich an absurd zu werden. Wissend, dass ich dem Verstorbenen egal was ich mache nichts Gutes tun kann, würde ich nie von mir aus auf die Idee kommen, trotzdem etwas zu machen.

Ich kann ausschließlich lebenden Menschen in irgendeiner Form etwas Gutes tun. Und ich persönlich kann nicht verstehen, inwiefern man dies mit einer Beerdigung tut. Eine Abschiedsfeier kann ich nachvollziehen. Gemeinsames sich erinnern. Wenn man möchte gerne auch häufiger oder regelmäßig. Zum Geburtstag des Verstorbenen mit Freunden zusammenkommen und sich erinnern. Vielleicht auch etwas gemeinsam tun, das man mit dieser Person verbindet. Das Erbe unter Bedürftigen aufteilen, auch gut.
Was auch immer. Kann ich alles nachvollziehen.

Aber den Körper aufbewahren? Wozu?

Spiessertum…

Gestern gelesen, dass Bionade-Trinker Spießer sind. Oder Spießer Bionade trinken. Eigentlich auch egal.

Makes me Wonder: Was ist eigentlich spießig?

Also was ist für mich spießig?

Ich finde Bionade toll. Nun ist da das lustige Bio-Siegel drauf, und der Name ist auch ziemlich Hippie. Deswegen habe ich das Getränk zugegeben als es raus kam auch erstmal aktiv ignoriert. Irgendwie kann ich mit Bio-Missionaren nämlich zugegeben genau gar nichts anfangen. Aber nur weil es Bio ist, wird das Produkt ja auch nicht schlechter.

Nur sucht es sich halt eine bestimmte Zielgruppe: Biohippies.

Wenn man die denn so nennen will. Andererseits finde ich Bioprodukte eigentlich auch nicht schlecht. Ich kaufe Bio-Eier, Biomilch (und schwöre drauf, dass die besser schmeckt), bin mit Biokartoffeln oft zufriedener als mit dem Standard-Zeug. Aber das ist mein Ding. Meine Sache. Wer Nicht-Bio kauft soll halt. Kann ich verstehen, denn es ist ja auch oft deutlich billiger. Und beim Käse hört bei mir dann der Spaß ja auch auf – eben zu teuer. Aber ich schweife ab.

Ist es nicht ziemlich spießig Bionade nicht zu kaufen, nur weil man glaubt dass es bestimmte andere kaufen? Wäre es nicht auch ziemlich spießig Tokyo Hotel nicht zu mögen weil sie von dreizehnjährigen Mädels geliebt werden und nicht weil einem die Musik nicht gefällt? Oder ist das einfach engstirnig? Was ist eigentlich Spießig?

Früher war Spießig für mich all das, was ich von der älteren Generation gerade nicht mochte. Mittagessen mit der Familie, in die Kirche gehen (was ich nie musste. Nur kurz meine Eltern in Schutz nehmen.), Haus mit Garten, Kinder kriegen, auf Beerdigungen Schwarz tragen. Was mir so in den Kram passte. Irgendwann bin ich älter geworden. Ein paar Dinge davon finde ich immer noch nicht in mein Lebenskonzept passend. Vielleicht sogar Spießig. Aber warum eigentlich? Soll doch jeder. Ich kann und will nicht für Andere entscheiden, was für sie in der Beziehung am besten ist. Solange sie niemandem Schaden. Wer mit zwei Kindern in der heilen Familie glücklich wird: Bitte. Wer jeden Morgen seinen Rasen mit der Nagelschere pflegt: Von mir aus. Spießig? Sicher irgendwie, aber doch harmlos. Schlimmer ist es doch eigentlich wenn man sich selbst einschränkt, weil man sich selbst von anderen dermaßen einschränken lässt. Ich kann Biohippies nicht leiden, aber Bionade ist toll. Ich werde doch nicht keine Bionade trinken, nur weil ich ein paar Konsumenten von Bionade nicht leiden kann. Konsequent müsste ich dann auch aufhören Cola, Fanta, Wasser zu trinken. Brot zu essen etc..

Spießig ist es, eingefahrenen Wegen zu folgen, einfach weil die Spuren schon da sind. Spießig ist es, etwas zu tun, weil es alle tun. Genauso Spießig ist es aber, etwas nicht zu machen, weil es alle machen; oder weil es einige bestimmte machen. Gerade dann, wenn das der einzige Grund ist. Nichtspießig ist es, zu machen was man mag, weil man es mag. Und zu mögen was man mag, weil man es gut findet, nicht weil andere es gut finden. Oder sagen sie fänden es gut.