12:30? Ohne mich!

Irgendwann neulich habe ich was dazu geschrieben, warum ich „Scheiss DSF“ zu pauschal finde. Warum ich persönlich Montagabendspiele sogar recht gut finde. Inklusive meiner Argumente dafür. Ich verstehe auch immer noch nicht, was dagegen spricht, den Spieltag zeitlich zu entzerren. Am Ende ist das ganze für das Endergebnis, für die Spannung, für die Meisterschaft, für Auf- und Abstieg meiner Meinung nach ziemlich unerheblich.

So weit, so gut. Nun kommt neuestens die DFL und ihr TV-Rechte-Vermarkter Sirius mit einer ausgefeilten Idee daher. Wir verschieben die Spiele der zweiten Liga nach vorn. Warum nicht Samstags um 13:00 spielen und am Sonntag – da kann man davor ja auch nichts machen – um 12:30.

Das geht dann aber sogar mir zu weit. Hallo? Um 12:30 habe ich als Vorort-Bewohner von Hamburg und nur-ab-und-zu-mal Heimspielbesucher ja schon ein Terminproblem noch zeitig ins Stadion zu kommen. Üblich ist sagen wir mal eine Stunde vorher da zu sein. Das hieße um 11:30 sollte ich ungefähr am Millerntor sein. Dazu muss ich bei optimaler Anbindung um 10:30 zu Hause los. Nun ist die Anbindung aber alles, nur nicht optimal. Ohne auf die Fahrpläne geschaut zu haben behaupte ich einfach, dass ich mit Bus und Bahn gegen 09.40 loskommen muss. Für ein Heimspiel. In der Stadt, die ca. 1.500 Meter von meiner Wohnung entfernt ist.

Neun Uhr Vierzig.

Das sind unglaubliche 100 Minuten später, als ich Wochentags aus dem Haus gehe, wenn ich morgens ins Büro muss. Supi. Gemütliches Sonntagmorgen-Frühstücken ist dann nicht mehr drin. Übrigens auch nicht „In die Kirche gehen“ (ja, ich gehe nicht in die Kirche, aber das 10:00 ist Gottesdienst-Zeit scheint ein besseres Argument zu sein als „das ist Fan-feindlich“. Die DFL ist wohl etwas Gottesfürchtig?).

Ok, aus meiner Sicht ist der Termin also irgendwie ziemlicher Mist. Egoistisch gesehen, versteht sich. Aber das geht offenbar den meisten anderen Fans oder Sympathiesanten genau so. Sonst wäre die Resonanz die die Sozialromantiker-Ini-St.Pauli innerhalb weniger Tage erzielt hat nicht so groß gewesen.

Lassen wir aber nun die egoistischen Fans beiseite, die „ihren“ Fußball gerne auch ab und zu im Stadion erleben wollen. Gucken wir auf die DFL und Ihre altruistischen Beweggründe:

Durch die Trennung der Termine für erste und zweite Liga würden mehr Leute Fußball im Fernsehen gucken können. Bzw. Mehr Leute mehr Spiele. Klar, ich fange Mittags mit zweiter Liga an um dann nahtlos die drei Sonntagsspiele der Bundesliga zu sehen. Nacheinander. Von 12:30 bis 22:00 Fußball gucken. Toll. Und wie viele Menschen das mit Begeisterung nutzen werden. Keine Ahnung, 10.000? 50.000? Also vielleicht, optimistisch geschätzt eine ordentliche Stadionfüllung. Alle anderen werden sich vor allem für „ihren“ Verein begeistern. Und für die Liga in der ihr Verein spielt. Gucke ich Bundesliga? Alle paar Wochen kurz in der Sportschau. Ein intelligentes Zweitligaformat würde ich dafür regelmäßig schauen. Aber nicht weil es zeitversetzt läuft, sondern weil es die Liga „meines“ Vereins ist. Heißt für die Einschaltquote – und vor allem für die Quote der Pay-TV-Kunden ein verschwindend geringer Effekt.  Zumal man nicht vergessen darf, dass sicher auch genug wegen der Terminverschiebung kein Pay-TV haben wollen werden. Wer will schon am Mittagstisch Fußball gucken?

Zweites Argument: Attraktivität für ausländische Märkte. Ja, die Bundesliga. Vielleicht. Hallo? Die maximal viertbeste Liga Europas? Wer ist denn in Asien wirklich relevant? Wenige englische Top-Clubs und Real Madrid oder so. Vielleicht noch ein paar Teams mit entsprechenden Spielern. Mehr nicht. Und da wollen die Damen und Herren von der DFL also nennenswerte Umsätze generieren? Weil man den durchschnittlichen Fußball dann dort in der Prime-Time sehen kann? Übrigens etwas, das in Deutschland (leider) viel zu selten passiert (ja, ich fände Samstags, 19:00 oder 20:00 toll). Ach so, außerdem: Ich rede hier von der Zweiten Liga. Die natürlich noch weniger Asiaten ansprechen wird als es die Bundesliga schon machen dürfte.

„Ja, aber man muss ja auch für die Zukunft planen!“

Genau. Und die Zukunft funktioniert nicht, ohne Fans. Fußball im Fernsehen ist für viele doch nur deshalb interessant, weil sie etwas mit ihrem Verein verbinden. Und das ist untrennbar mit der Fankultur verbunden. Natürlich kann ich auch für „irgendeinen Verein aus meiner Nähe“ sein. Aber das ist dann nichtmehr Begeisterung, Liebe, Zuneigung, sondern allenfalls eine gewisse Sympathie. Nur: Nur aufgrund einer gewissen Sympathie kaufe ich keinen Fanschal, kein Premiere-Abo, gehe nicht ins Stadion. Nicht mal um 20:15. Samstags. Mittelfristig wird diese Strategie also dazu führen, dass die Umsätze der Vereine sinken. Vielleicht erst in 10 Jahren, aber das reicht.

Ich bin absolut kein Sozialromantiker, aber in einem Stadion das nur noch aus Business-Seats und Logen besteht, werden auch Geschäftsleute nicht mehr mit ihren Kunden gehen wollen. Schon gar nicht um 12:30. Sonntags.

Mehr zum Thema zum Beispiel bei kein Kick vor zwei, bei Frau Jekylla und bei der Sozialromantiker-Ini-St.Pauli, Die ist seit heute dann auch erstmal bei den Blogbuttons verlinkt.

Freudscher Versprecher?

Gilt das eigentlich noch als Freudscher Versprecher, wenn Sat1 Kommentator Sebastian Hellmann sagt

„Das ist Roman Abramovic, der Chef und Besitzer von Didier Drogba“

und erst gefühlte 20 Sekunden später – wohl weil er es selbst bemerkt ein

„und Chelsea“

hinterherschiebt? 😀

Fan-Statistik

Disclaimer: Der folgende Artikel mag für den einen oder anderen etwas trocken rüberkommen. Statistik-Betrachtungen eben 🙂

Der FC St. Pauli bezieht sich auf seiner Website auf Ergebnisse einer ganz interessanten Umfrage von Sozioland. Dabei wird ausschließlich darauf hingewiesen, dass der FC St. Pauli der sympathischste Verein in der zweiten Bundesliga ist. Das ist eine sagen wir interessante Leseweise der Statistiken, die Sozioland da veröffentlicht hat. Und da diese Statistiken wirklich veröffentlicht wurden, kann man sich auch selbst ein Bild machen und kommt dann auch zu einer eigenen Perspektive:

Es stimmt, wenn man isoliert auf die Frage schaut, welcher Verein in der 2. Bundesliga besonders sympathisch ist, dann liegt St. Pauli mit 45% weit vorn. Gefolgt vom FSV Main, die immerhin noch von 33% genannt werden. Was man bei dieser Aussage aber berücksichtigen sollte: Dies sind nicht die Lieblingsvereine der Befragten. Nach denen wurde nämlich vorher gefragt und die Ergebnisse sind dann doch etwas weniger eindeutig. Borussia Mönchengladbach hat nämlich dann die meisten Fans, gefolgt vom FC Augsburg (für mich überraschend). Erst dann kommen der FC St. Pauli und Mainz 05 mit jeweils 9% „Fans“*.

Spannend ist es, wenn man in die einzelnen Untergruppen einsteigt. St. Pauli ist regional enorm dominant. Die anderen „Top-Clubs“ sind zwar in ‚ihrer Region‘ stärker als im restlichen Bundesgebiet, aber die Werte sind nicht derart extrem. Gladbach hat im PLZ-Gebiet 40-49 40% Fans. Mainz im PLZ-Gebiet 50-59 23%. St. Pauli im PLZ-Gebiet 20-29 68%. Wer hier in der Region also nach dem „liebsten Zweitliga-Verein fragt, dürfte bei zwei von drei Befragten St. Pauli-Fans erwischen. Finde ich heftig.

Übrigens sind wir bei den Frauen lange nicht so beliebt wie bei den Männern. die Mädels stehen eher auf Mainz 05 (obwohl Ralle da weg ist…). Wir liegen bei den Frauen eher auf einem Niveau mit Kaiserslautern.

Auch wenn man mal in die Überkreuz-Auswertung Lieblings-Verein vs. sympathische Vereine guckt, zeigen sich spannende Ergebnisse: Mainz 05 ist der beliebteste Zweitclub der St. Pauli-Fans. Mehr als die Hälfte finden Mainz sympathisch. Damit hat Mainz umgekehrt bei uns auch die meisten Sympathisanten.
Umgekehrt können uns Fans von Koblenz, Jena, Hoffenheim und Offenbach überhaupt nicht leiden. Das heißt nur etwa 30% von denen finden St. Pauli noch sympathisch.

Was mich selbst sehr überrascht hat ist, dass St. Pauli bei der Frage nach dem unbeliebtesten Verein nur sehr selten genannt wird. Nur Koblenz, Freiburg und Osnabrück sind weniger oft unbeliebt. Dagegen kann Hoffenheim quasi keiner leiden, auch Köln und Kaiserslautern sind – sagen wir mal – einigen unsympathisch. Im Osten sind wir übrigens im Vergleich noch am unsympathischsten, aber selbst da liegen viele andere Vereine äh.. vor uns.

Bei St. Pauli-Fans ist auch Jena ziemlich unbeliebt. Wenn man überlegt wie oft im inoffiziellen Forum Jena als (relativ) sympathisch bezeichnet wird zeigt sich, wie wenig repräsentativ das Forum für die Fan-Szene ist. Auch ein Rückschluss, den man ziehen kann.

Was irgendwie schon bekannt war: Die Liebe zu St. Pauli ist ziemlich unabhängig vom Erfolg des Teams. Während bei Köln zum Beispiel zwei Drittel der Fans sagen, Erfolg sei ihnen sehr wichtig, sind es bei St. Pauli nur 33%. Nur Freiburg-Fans finden Erfolg noch unwichtiger.

St. Pauli-Fans sind übrigens arrogant 😉 Auf die Frage, in welchen Zweitliga-Stadien die beste Atmosphäre ist, sagen 97% der St. Pauli-Fans sinngemäß „zu Hause“. Na gut, wenn man alle fragt, kommt das Millerntor immer noch auf mehr als 50%.

Was das Stadion selbst ausmacht, kann man erahnen wenn man sich die Ergebnisse auf die Frage, welches Stadion am liebsten für ein Auswärtsspiel besucht wird anschaut. Plötzlich ist 1860 München hier ziemlich weit vorne. Die Stimmung wird da zwar als eher schlecht bewertet, der Verein ist tendenziell recht unbeliebt, aber für ein Auswärtsspiel? Gerne. Das liegt sicherlich (auch) an der Allianz-Arena.

Für mich lustiges Detail zum Schluss: St.Pauli-, Köln-, und 1860-Fans haben die größten Probleme mit einem potentiellen Alkoholverbot. Ob sich daraus Umkehrschlüsse ziehen lassen sei mal dahingestellt 😀

*) Immer wenn ich hier von Fans rede, meine ich diejenigen die angeben, dass St. Pauli ihr liebster Zweitliga-Verein ist. Mir ist klar, dass der Begriff Fans in der Regel noch eingeschränkter gemeint ist.