Meine Nerven! FC St. Pauli-Hansa Rostock 3:2

Eigentlich wollte ich das Spiel ja bereits kurz nach Abpfiff verbloggt haben. Aber alles was sich aus meinen Fingern saugen ließ, sah ungefähr so aus:

JAAAAAAAAAAAAAAAA!!!!! WIE GEIL!!!! ICH LIEBE DIESEN VEREIN!!!!

Könnte ich natürlich so stehen lassen 🙂 Aber irgendwie hab ich ja doch den Ehrgeiz, wenn ich was schreibe, auch etwas Inhalt zu haben. Also (hier bitte vorstellen, wie ich tiiief Luft hole):

Man muß ja wirklich sagen, dass ich Stani und Truller unterschätzt habe. Nachdem ich mich bei den Spielen in Oberhausen und München ja noch aufgeregt habe, erkenne ich nun langsam, dass sie dort einfach nur die neue Taktik ausprobieren wollten. Und klar, ich kann akzeptieren, dass so radikale Umstellungen nicht immer direkt funktionieren. Aber wenn das dann jetzt so weiter geht, wie gegen Rostock, meinetwegen.

Aber von Anfang an: Wie die letzten Auswärtsspiele, hatte sich St. Pauli offenbar jetzt auch zuhause entschieden, den Beginn des Spiels ruhig anzugehen, und zunächst den Gegner einzulullen.
Die obligatorischen 2 Gegentore in den ersten 10 Minuten waren kein Problem, das kennen wir ja alles schon. Gewöhnung und so. Aber diesmal schlug unsere neue Taktik das erste mal wirklich zu: Dreifachauswechslung in der Pause. Unsere beiden Bald-Bundesliga-Stars Trojan und Ludwig blieben in der Kabine (dazu Schulle, der ja auch die letzten Spiele andeutete, warum er vielleicht doch mal über eine berufliche Neuorientierung nachdenken sollte) und das Team kam um 180° gedreht aus der Kabine.

Und die Taktik ging auf: Rostock sah ab da keinen Stich mehr, aus dem 0:2 wurde ein 3:2 und das Stadion, Twitter, ich, alle waren glücklich. So geht das. Die neue Taktik ist also den Gegner dazu zu bringen, dass er uns völlig unterschätzt, aufgrund der grottigen ersten Hälfte, und dann in der zweiten aufzudrehen und das Spiel zu wenden. Wenns klappt.. Spannender als ein 08/15 1:0 ist sowas allemal. Aber.. ARGH. Meine Nerven!

Andererseits… Das sind die Spiele, warum ich Fußball so liebe. Genau das sind die Spiele, nach denen jeder weiß, warum.

Neben einem wichtigen Sieg, einem wirklich aufregendem Spiel mal so am Rande noch die Hansa-Kogge versenkt. Hoffen wir, dass es da wo sie gerade rumdümpelt noch tief nach unten geht. Ex-Trainer Dieter Eilts wurde ja direkt nach dem Spiel beurlaubt und aktuell ist wohl Thomas Doll im Gespräch. Ich weiß noch nicht, ob ich das gut fände. Einerseits würden die beiden charakterlich gut zu einander passen, andererseits hatte Doll in den ersten Wochen eigentlich immer Erfolg. Und das wollen wir doch wirklich vermeiden. Zu schön klang das “Nie mehr zweite Liga” aus dem Stadion, und es wäre wirklich wünschenswert, wenn die Rostocker ihren Lieblingsschlachtruf “Scheiss St. Pauli” bald in der dritten Liga, oder noch weiter unten, anstimmen könnten. Als Gegner brauchen die uns dazu eh nicht, das singen sie ja auch jetzt schon, egal gegen wen sie gerade spielen. Wers braucht.

Fußballfans: Versteht euch jemand?

Hallo Fußballfans! Kennt ihr das? Diese völlig ahnungslosen Blicke?

Früher, als ich noch bei meinen Eltern wohnte, war das immer so. Wenn ich vom Spiel kam, die erste Frage: “Wie wars denn?”.

Besonders nach Niederlagen.

Schnell das Ergebnis gemurmelt und will mich dann ins Zimmer verziehen. “Erzähl doch mal, wer hat denn die Tore geschossen? Wars denn ein gutes Spiel? So schlecht sieht die Tabelle doch gar nicht aus, oder? Hast Du mitbekommen dass XY auch verloren hat”?

Auch wenn ich heute mit ihnen rede und ein Spiel kurz zuvor war… Ich kann garantieren, dass es dazu etwas zu sagen gibt, was ich genauso garantiert nicht hören möchte. Und schon gar nicht besprechen.

Oder Bekannte, die einen nach der Niederlage irritiert angucken “Ist doch nur Fuuuußball, was hast Du denn?”.

Umgekehrt aber auch dieses verwirrte “Warum bist Du denn so gut gelaunt?”, am Tag nach wichtigen oder wenigstens schönen Siegen. (Bei guter Laune ist dann die Reaktion meist wenigstens nicht so wild, weil man ja mit guter Laune angenehme Gesellschaft ist..)

Ich hab die Erfahrung gemacht, dass ich eigentlich ausschließlich mit Fußballfans nach Spielen über Fußball reden kann. Egal für welchen Verein sie sind.

Wichtig ist: Fußballfans.

Die können nachvollziehen, WARUM ich gerade nicht darüber nachdenken möchte, was für ein schönes Tor das eine eigene war, bei einer 1:5 Niederlage. Die verstehen, dass es mir NICHT hilft, noch drei mal darüber zu reden, wie scheiße das Spiel war, aber dass das nächste Spiel bestimmt wieder besser wird. Die hören mir einfach beim Jammern oder Fluchen zu. Oder Jammern und Fluchen mit.

Und die verstehen mich auch, wenn ich trotzdem am nächsten Freitag wieder Feuer und Flamme bin, wieder für meinen Verein, wieder fest daran glaube, dass wir gewinnen. Vielleicht sogar, obwohl wir die letzten 5 Spiele übel vergeigt haben. Und warum ich auch nach 50 verdienten Auswärtsniederlagen in Folge immer noch glaube, hoffe, bete, dass wir dieses Mal bestimmt die Serie reißen, gewinnen. Egal gegen wen. Verstehen, warum ich 10 Jahre am Stück fast jedes Heimspiel meiner Mannschaft gesehen habe, von der ersten bis in die Dritte Liga. Auch im Winter bei -10° gegen den SC Paderborn. Oder im Hochsommer bei 35° gegen Bayer Uerdingen, wenn es um nichts mehr geht und andere sich lieber an den Strand legen.

Verstehen bestimmt auch, warum ich hier gerade über Verständnis blogge und nicht über das Spiel. Weil ich nämlich sonst echt übel pöbeln müsste.

Aber mal ehrlich, Fußballfans: Versteht euch jemand, der selbst kein Fußballfan ist? Gibt es so Menschen?

Doping im Fußball

Wenn ein Radfahrer bei der Tour de France dabei erwischt wird, wie er sich 10 Minuten auf seinem Hotelzimmer einschließt, bevor er zur eigentlich direkt nach dem Rennen geplanten Dopingprobe geht, bricht die Presselandschaft in großartige Spekulationen aus, was besagter Radler denn alles gemacht haben könne, in den 10 Minuten. Sein Urin durch anderes austauschen, sich einen falschen Penis umschnallen, sich irgendwas spritzen, dass irgendwas anderes neutralisiert oder wenigstens nicht nachweisbar macht. Whatever. Auf jeden Fall macht sich dieser Radler höchst verdächtig. Skandal.
Denn wir wissen ja alle: Alle professionellen Rennradler dopen.

Wenn zwei Fußballer in einer Bundesligapartie für 10 Minuten in der Kabine verschwinden, um danach zur obligatorischen Dopingprobe zu gehen, dann haben die zwei selbstverständlich nicht gedopt, nichts böses getan und sind nur Opfer einer Organisationspanne. Die Mannschaftsbesprechung, der Trikottausch, der kurze, aber falsche Abstecher war schließlich nur ein Versehen. Bagatellfall.
Denn wir wissen ja alle: Fußballer dopen nicht.

Lassen wir mal kurz ausser Acht, dass mich durchaus eine gewisse Häme erfüllt, dass ausgerechnet Hoffenheim es schafft, sich einer bekannten Regelung zu widersetzen und dadurch in die Schlagzeilen gerät.

Völlig unabhängig davon ist es doch so, dass diese Regelung offenbar in anderen Vereinen durchaus bekannt war und auch so umgesetzt wurde. Spiegel Online hat ein paar Verantwortliche dazu befragt und der Tenor ist offenbar der, dass ein Verschwinden der für die Dopingprobe ausgewählten Spieler ein absolutes No-No ist. Da dort auch der Verantwortliche des FC St. Pauli befragt wurde, ist davon auszugehen, dass man in Hoffenheim dieser Regelung auch schon im letzten Jahr, in der zweiten Liga unterworfen war. Man kennt das also eigentlich schon seit einer Weile. Und eigentlich erwarte ich auch von Fußballern, wie Andreas Ibertsberger und Christoph Janker, dass sie diese Regelungen kennen. Es wird auch für sie nicht das erste Mal gewesen sein. Und wenn doch – wenn Kollegen dorthin entschwinden, bekommt man das ja auch mit.

Herr Rangnick behauptet natürlich munter das Gegenteil. Es sei völlig üblich, dass die Spieler auch noch mal mit in die Kabine dürften. Besonders beeindruckt hat mich diese Aussage:

Es sei jetzt aufzuklären, warum die Spieler „in der Wahrnehmung der Dopingbeauftragten“ zu spät gekommen sind.

Schööön die Schuld auf andere schieben. Die Spieler sind nämlich gar nicht zu spät gekommen, der Dopingbeauftragte hat nur irrtümlicherweise bereits in der 80. Spielminute mit dem Erscheinen der beiden gerechnet.

jetzt geistern munter Strafvermutungen durch den Raum. in Italien wurden zwei Spieler für jeweils ein Jahr gesperrt. Mindeststrafe der WADA, der Dachorganisation der Dopingbekämpfer. Weil sie eine halbe Stunde zu spät kamen. Ich sehe keinen großen qualitativen Unterschied zwischen den beiden Vergehen.

Und natürlich finden jetzt alle diese Strafen viel zu hoch. Schließlich hätten die beteiligten ja gar nicht gedopt (die Proben waren ja negativ!), sondern seien “nur zu spät gekommen”.

Wenn man jetzt aber mal darüber nachdenkt, warum die Spieler direkt nach dem Spiel zur Dopingprobe sollen, wird das ganze schon weniger Eindeutig: Diese 10 Minuten können nämlich genau dazu führen, dass eine sonst positive Dopingprobe negativ wird. Ich unterstelle das den beiden gar nicht, ich kann mir durchaus vorstellen, dass es wirklich nur eine “Panne” war. Aber trotzdem – sowas darf einfach nicht passieren.

Der Radfahrer aus dem Beispiel oben hätte am nächsten Tag 30 Presseberichte gegen sich. Zurecht.

Die aktuelle Logik der Argumentation kann man – zynisch – nämlich auch wie folgt anwenden: Wenn ich mit 200 Km/h durch eine Tempo 30-Zone rase und niemanden anfahre, dann muß ich doch eigentlich auch nicht bestraft werden, immerhin ist ja nichts passiert, oder?

Genau, völlig falsch.

Und genauso ist es völlig falsch, die beiden Spieler und den dazugehörenden Verein (der laut WADA nämlich dafür verantwortlich ist, eine betreuende Person zu benennen, die sich darum kümmert, dass die betroffenen Spieler rechtzeitig zur Probe erscheinen) jetzt mit Glacéhandschuhen anzufassen.

Das mögliche Strafmaß des Handelns sollte gerade den Verantwortlichen in Proficlubs sehr bewußt sein. Was in Italien passiert ist, ist ja absolut nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gewesen. Und entsprechend ist zu erwarten, dass man mit entsprechender Sorgfalt damit umgeht. Allein um solche (möglicherweise subjektiv empfunden heftigen Strafen) von den eigenen Spielern fernzuhalten. Wer jetzt aufschreit und so tut, als wäre das alles völlig überraschend und “so ja nie zu erwarten gewesen” heuchelt entweder, oder weiß es tatsächlich nicht besser und zeigt damit seine unprofessionalität.
Nochmal: Es gibt in jedem Verein eine Person, die genau dafür verantwortlich ist, sich darum zu kümmern. Die muß sowas wissen.

Wer mit 200 durch die Tempo 30 Zone rast, sollte wissen, dass er sich damit ein Fahrverbot von 3 Monaten einhandelt. Sollte zumindest wissen, dass er damit einen schweren Fehler macht, der, wenn er erwischt wird eben zu Konsequenzen führt.
Von Profisportlern ist das auch zu erwarten. Das ist Teil ihres Berufs.

Wenn die Spieler und ihr Verein jetzt mit einem vorsichtigen Klaps auf die Finger davon kommen, sendet die DFL ein sehr fatales Zeichen: Schon nicht so schlimm, die Dopingrichtlinien sind nicht soooo wichtig, macht ihr nur. Doping ist ja kein Problem.

Und genau das, gilt es zu vermeiden. Der Fußball soll und muß weiterhin sauber bleiben. Das kann aber nur dann erreicht werden, wenn konsequent auf die Einhaltung der dafür relevanten Regeln geachtet wird. Und wenn die Spieler bestraft werden, werden sie ja genau dafür bestraft, dass sie die Regel nicht eingehalten haben. Nicht dafür, dass sie gedopt haben. Das wäre nämlich noch viel schlimmer.