Der mit der roten Jacke

Irgendwann mal, in grauer Vorzeit, als das Fernsehen gewissermaßen noch schwarz-weiß, der Himmel viel blauer als heute und die Luft noch rein war. So ungefähr 1980 oder so.

Am etwas zu sehr nadelnden Baum sitzen, unter ziemlich hässlichen, aber sehr sicheren Elektrokerzen. Freudig-erregt, wenn auch etwas müde von einem Nachmittag vor dem Zweit-Fernsehgerät, das extra dafür in das eigene Zimmer (wir nannten es Kinderzimmer) getragen worden war. Dort auf dem Schreibtisch-Drehstuhl (fünfbeinig und damit besonders umkippunwahrscheinlich) residierend. Mit ein paar Weihnachtskeksen, deren backzustand ich aus der Erinnerung nicht rekonstruiert bekomme, aber vermutlich eher gekauft als selbstgebacken, schon alleine aus Zeitmangel. Die Konzentration fehlte ein wenig, seinerzeit. Konzentration, um sich auf die Handlung der TV-Sendungen zu konzentrieren.

Also eigentlich alles wie heute.

Nur dass sie damals noch fehlte, weil die Vorfreude auf die Geschenkte so groß war, und nicht, weil die Sendungen so banal. Rede ich mir jedenfalls ein. Vielleicht ist heute die Ablenkung auf dem „Second Screen“, der für mich inzwischen lange der First Screen ist, einfach so viel besser ist als das, was da im Fernsehen so kommt…

Wo war ich?

Ach ja, der nadelnde Baum und das darunter Sitzen. In einem Wust aus Geschenkpapier. Selbstverständlich. Mit Sternen darauf. Und Halbmonden. Und dem mit der roten Jacke.

1980 oder so müssten sogar die Großeltern noch dabei gewesen sein. Beide Seiten der Familie. Also Oma, Oma, Opa. Und natürlich Mama und Papa. Ohne die ging nix.

Sass man also dort, unter dem Baum, im Geschenkpapierwust, vor, neben und hinter sich die von der Familie liebevoll ausgewählten Geschenke (und wenn ich liebevoll ausgewählt schreibe, meine ich meinem planvoll mit Bestellnummern versehenen Wunschzettel – selbstverständlich inklusive  Prioritätennennung – folgend erworben).

Es gab Torte (die sonst so süßigkeitenaverse Mutter buk diese eigenhändig zur Feier des Festes) und später etwas eher wärmeres zum Abendessen. Aber einfach musste es sein. Schließlich war die Motivation nach dem Bescherungstrara aufwändiger zu kochen eher niedrig.

Am Tage darauf kam dann traditionell Oma (also die erstgenannte aus Oma, Oma, Opa – unschwer erkennbar verwitwet. Seit sehr lange her. So sehr lange, dass das 1980-Ich überhaupt gar keine Vorstellung von diesem Zeitraum hatte).  Oma brachte gute Laune mit, manchmal auch noch eine kleine Kleinigkeit für den Enkel. Und es gab Braten. Rehrücken. Gänsekeule. Sowas. Meist nicht ganz mein Geschmack. Spaghetti-Bolognese oder Fischstäbchen hätten es wenn es nach mir ginge wohl auch getan. Meist aber mit Backofen-Kroketten, Dosenbirnenhälften und Preiselbeeren (was mir den geschmacklichen Tag rettete. Und die Torte. Von gestern.).

Geschenke gab es keine. Das in späteren Jahren bekommene Geld konnte man aber – sehr zu meinem Leidwesen (und der geneigte Leser erkennt hier vielleicht bereits Persönlichkeitsmerkmale des gereiften Autors) nicht unter die Leute bringen. Das ging erst noch mal 48 Stunden später. Es sei denn, der 27.12 fiel auf einen Sonntag. Dann war es ganz und gar schlimm.

Und am zweiten Tag nach der Bescherung kam Oma dann nicht zu Besuch. Es gab den Braten von Gestern (oder den Rehrücken. Oder die Gänsekeule. Ich glaube, man erkennt das Muster). Und shoppen war immer noch unmöglich. Ich erinnere mich an gelangweilt-vollgefressene Nachmittage vor dem Fernseher, dessen drei Programme auch nicht mehr zu bieten hatten, als die 300 heute.

Im immer stärker nadelnden Baum hingen Süßigkeiten, die man vorsichtig (und unter den achtsamen Augen eines Elters) herauswinden durfte. Und danach sogar naschen. Fondantkringel. Streuselkringel. Und dazwischen irgendwo die Deko. Glaskugeln. Holzirgendwas. Der mit der roten Jacke.

Der Wunsch, „irgendwas“ zu machen war groß. Die Möglichkeiten nicht vorhanden. Mit/bei/zu Freunden ging nicht, weil Weihnachten war. Da „machte man was mit der Familie“. Oder man machte eben nix, aber auch das mit der Familie. Das vor allem.

Die TL;DR Fraktion sei hier mit einem Zwischenfazit beglückt: Bis auf die drei Stunden nach dem Fernsehmarathon vor der Bescherung und dem Essen nach der Bescherung war mir Weihnachten meist doch irgendwie erstaunlich träge zumute. Um nicht zu sagen „Langweilig!“.

Mehr als 30 Jahre später (der aufmerksame Leser merkt, wir nähern uns in gigantischen Schritten der Jetztzeit. Eigentlich sind wir schon da,) ist Weihnachten ungleich anders, aber immer noch nicht so ganz meines.

Wo fängt man an? Ungefähr ab September gibt es Weihnachtsgebäck in jedem Discounter. Das begrüße ich zunächst, da ich eine intensive Zuneigung zu jenem Pflege (wenig figurschmeichelnd zudem).

Andererseits führt dies leider auch dazu, dass der mit der roten Jacke ungefähr Ende Oktober ungefähr überall zu sehen ist.

Ende November eröffnen dann die Weihnachtsmärkte.

Dem 1980-Ich hätte man diese vollumfänglich mit „wie DOM, nur ohne Achterbahn. Dafür mit Weihnachtsmusik und Kunsthandwerk“ erklären können. Ach so. Und der mit der roten Jacke natürlich. Der darf nicht fehlen.

Und voll.

Das 2013-Ich findet an Weihnachtsmärkten eines toll: Pommes Spezial.

Also eigentlich an dem einen Pseudo-Weihnachtsmarkt auf der Spitalerstrasse in Hamburg, da in Laufweite zum Büro und da der Pommes-Spezial-Stand mittags bereits geöffnet hat. Ich glaube, Sie verstehen, worauf ich hinaus will.

Was das 2013-Ich – und da ist es sich tatsächlich treu geblieben – nicht toll findet ist vor allem der mit der roten Jacke. Und seine Freunde. Und seiner Freunde Freunde. Und seiner Freunde Freunde Freunde.

Ich echauffiere mich gerade. Bitte verzeihen Sie.

In Folge nennen ich die Freunde (und Freun…) der Einfachheit halber die mit den Bechern. Meist mit Glühwein. Meist (presumably) mit Schuss.

In Hamburg, am Rathausmarkt-Weihnachtsmarkt (oder heißt es Rathausweihnachtsmarkt? Oder Weihnachtsrathausmarkt? Oder Weihnachtsmarkt am Rathau….?) gibt es nicht nur ungefähr 20cm² Stehfläche pro Person, sondern auch einen „hölzernen“ „Schlitten“ der „durch die Luft“ „fliegt“ (mir gehen die Air-Quotes aus).

Mit dem mit der roten Jacke drin.

Wem der Glühwein den Schädel nicht völlig vernebelt hat, der mag in der Lage sein zu erkennen, dass der Schlitten auf Drahtseilen geführt wird. Ziemlich dicken. Dass die Rentiere aus Pappmaché sind, der mit der roten Jacke einen falschen Bart trägt und die schauspielerische Leistung sich der Qualität des überteuerten Essens anpasst. Aber das spielt keine Rolle.

Die mit den Bechern stehen auf ihren 20cm², schauen viertelstündlich gen Himmel (aus dem uns heute Hoch Ulrike zuwinkt), sehen den mit der roten Jacke die Drahtseile hinab „rauschen“ (auch wenn mir dabei immer eher ein Abschleppvorgang hinter einem „gelben Engel“ (sic!) durch den Kopf geht). Warten fast rituell auf sein „Hohoho“ und denken – so sie denn denken – der Mimik folgend ungefähr „ooooooooh!“. Während der Schlitten dann rückwärts zurück gezogen wird, widmen sich die mit den Bechern wieder den Bechern, drehen sich auf ihren 20cm² nach irgendwoanders und kuscheln sich an die anderen mit den Bechern. Mehr unfreiwillig, unterstelle ich hier.

Natürlich sind nicht alle mit den Bechern schlecht. Und vielleicht ist das alles eigentlich auch total schön. (so sehr es mich in den Fingern juckt hier ein „Nein“ in die Klammer zu schreiben). Aber irgendwie regen mich die mit den Bechern und der mit der roten Jacke jedes Jahr aufs Neue auf.

Ich bin den schnöden Freuden des Kapitalismus nun wirklich nicht abgeneigt. Wer oben aufmerksam las, wird sich an die zu große Lücke zwischen Geldgeschenk und Shoppingrausch erinnern. Zurecht.

Aber der mit der roten Jacke geht gar nicht. Und die mit dem Becher (bzw. ja eigentlich die mit den Bechern), die dastehen und „Ooooh“ denken treiben mich in die offenen Arme der Stadionhoolsultras.

GEWALT! Denke ich da. Und PYRO! Was ja bedeutungsgleich ist (wer hier die Ironie nicht erkennt, sei des Stadions verwiesen).

Während ich also am Rathausmarkt stehe und darüber nachdenke, wo ich Bengalos (Bengalen? Bengalische Leuchtstäbe? Na, diese Leuchtdinger) herbekomme um sie abwechselnd dem mit der roten Jacke in seinen Bart und den mit den Bechern in ebenjene zu stopfen sehe ich am Horizont ein Lichtlein.

Und zwar kein bengalisches, falls Sie fragen wollten.

Ein gar weißes, leuchtendes etwas nährt sich. Zur Musik. Sich im Kreise drehend. Ein Engel. Auf der Mönckebergstrasse. Und während Sie lieber Leser vielleicht sogar überlegen, ob ein helles Licht nicht etwas ganz und gar positives in diesem ja doch eher frustrativen Artikel sein könnte, denke ich so bei mir, dass hier wohl die Weihnachtsparade kommt.

Und wundere mich noch, wo der mit der roten Jacke (müsste nicht jede Weihnachtsparade einen eigenen mit roter Jacke haben?) steckt, als mir ein noch viel perfiderer Gedanke kommt.

DAFÜR wurden die Lampedusa-Demos verboten?

Während die mit den Bechern dem mit der roten Jacke zuwinken, weine ich leise in meinen eher metaphorischen Bart.

„Die sind sonst nie im Stadion“

Montag früh, U-Bahn in die Stadt. Den ersten Arbeitstag der Woche vor sich. Ein eher handlicher gestaltetes Hamburger Tagespresseerzeugnis auf dem Sitz gegenüber. Nun gut. Reinschauen kann man ja mal. Mal gucken, Bundesliga-Nachlese kann ja ganz unterhaltsam sein wenn der Vorstadtrivale unter seinen Möglichkeiten agierte.

Denkste.

Drei Seiten und einen Kommentar später ist mir jegliche Schadenfreude über die Heimniederlage der Volksparker abhanden gekommen.

Nach dem ersten (!) Heimspiel und einem im Vergleich zu den Erwartungen erfolgreichen Start in die Saison (immerhin 3:3 auf Schalke. Besagtes Presseerzeugnis schreibt da noch vom „starken HSV“) wird der Leser der Tagespresse mit einem Kommentar begrüßt, der mir zumindest zeigt, wie wenig es noch um Sport geht.

„Schadenersatz“.

Dass zum Sport, dass zum Fußball auch Niederlagen gehören – egal.
Dass es irgendwo dazugehört, auch mal kräftig auf die Nase zu kriegen – Wen kümmert’s.
Dass es ein einziges Spiel war – wozu berücksichtigen?

Schadenersatz für eine Niederlage. Warum nicht gleich „Scheissmillionäre“?

Weiter hinten im Heft dann „Versager“ in der Überschrift. Wie war das damals noch mal, nach Enke? Hatte die Presse nicht erklärt, man wolle sensibler berichten?

Nach einem missratenen Spiel „VERSAGER“?!

Weiter geht’s mit den Schulnoten. Ja, ich weiß, sollte man eh nicht so ganz für voll nehmen, aber trotzdem. Genug Leser nehmen die nämlich auch ernst. Das ist halt das, warum schlecht gemachte Presse so gefährlich sein kann. Die Leser glauben es.

Der Torwart wird erst mal von jeglicher Schuld freigesprochen. Kann wohl nix für die Gegentore (vermutlich dank ‚desolater* Abwehr‘?). Wer weiß, ich habe das Spiel ja nicht gesehen.

Adler bekommt natürlich trotzdem eine 5.

Das ist ungefähr so, als bekäme man in der Englisch-Klausur eine fünf, weil der Sitznachbar und der beste Kumpel beide eine Sechs haben.

Auch sonst… wozu differenzieren. Der Rest des Teams irgendwo zwischen 5 und 6. Alle.

Dafür bekommt der nächste Stürmer, der sich 89 Minuten nicht am Spiel beteiligt, aber das entscheidende 1:0 schießt dann wieder eine eins. Wegen „hat das Tor getroffen“.

Um das noch mal mit der Englisch-Klausur zu vergleichen: Der hat gerade seinen Namen fehlerlos oben drauf geschrieben, aber weil morgen Wochenende ist und danach Klassenreise… naja.

Und wo ich mich schon mal aufrege, dann noch kurz online geschaut, was die letzten Tage so war.

„Horror-Show“, „Debakel“, „Hoffenheim Schmach“, „Grusel-Vorstellung“.

Reicht, oder?

Was der Kai hier so richtig über seine Vorstadtmitfans schreibt gilt leider auch für die Presse.

Ernsthaft: Die verlieren ihr erstes (!) Saisonheimspiel gegen einen Club aus der selben Liga und schon brennt nicht nur der Baum sondern der ganze Volkspark. Unterstellen wir einfach mal der HSV hätte nicht nur einen mäßigen, sondern der Gegener evtl. auch einen eher guten Tag erwischt. Welchen (sportlichen) Respekt zeigt man denen gegenüber eigentlich, wenn eine (höhere) Niederlage gefühlt vergleichbar ist mit einem Bombenangriff auf Bahrenfeld? Steht Hoffenheim schon als 18. fest und trifft diese Saison kein Tor mehr?

Nochmal für die sogenannten Sportjournalisten:

Beim Sport kann man auch verlieren. Das „gehört dazu“. Man kann sogar absteigen. Mehrfach. Das ist Teil der Idee. Man muss es nicht, und manchen gelingt es sogar, fast nie zu verlieren, aber bei den meisten passiert das mal mehr, mal weniger häufig.

Schon alleine deshalb, weil wenn einer gewinnt ja immer auch einer verlieren muss.
(ich weiß, das ist jetzt Logik, das ist etwas schwerer für Euch). 

Und wenn man einen Scheisstag erwischt, oder einfach nicht gut genug ist, verliert man auch mal höher. Das ist nicht schön, das macht keinen Spaß, das ist aber Teil des Spiels. 

Wie wollt Ihr das eigentlich noch toppen? Bei der zweiten Niederlage dann die Inhaftierung, bei der dritten die Todesstrafe fordern? Oder wenigstens den Kopf vom Mannschaftskapitän?

Schuss nicht gehört ist viel zu schwach. Wäre ich Journalist, müsste ich jetzt eine Ausrede auf dem „Die sind sonst nie im Stadion“-Niveau erfinden. Mindestens.

Kann man eigentlich Schadenersatz für schlechte Zeitungen fordern?
Ich frage für … naja, war ja nur gefunden.

Dabei wollte ich mich eigentlich nur ein bisschen über des Lokalrivalen 1:5 amüsieren.

Und dann hat‘s Basch gemacht

Wild diskutiert wird im Moment das hier aus der Basch – überschrieben mit „Bullen aus der Kurve“.

Zusammengefasst etwa „Es gibt den Verdacht dass jemand Polizist ist. Dies wird irgendwie überprüft. Der Polizist sowie sein Fanclub streiten es (das Polizist-sein) ab. Der Verdacht erhärtet sich. Es scheint so was wie Beweise zu geben. Der Fanclub inklusive polizistischem Mitglied wird aus den ‚USP-Strukturen‘ ausgeschlossen und soll ‚sich von der Gruppe USP und der Südkurve fernhalten‚“

Das Ganze ist aus meiner Sicht ziemlich vielschichtig. Von daher hier erst mal die einzelnen für mich relevanten Schichten im Detail. (Die Reihenfolge ist „so wie es mir einfällt“, das ist keine inhaltliche Wertung). Viele der Themen könnten noch wesentlich ausführlicher… aber wir haben ja keine Zeit.

Schicht 1: Gruppenzugehörigkeit

Grundsätzlich hat jede Gruppe aus meiner Sicht das Recht, sich für oder gegen einzelne Mitglieder auszusprechen. Wenn ich in meinem Fanclub keine Marktforscher haben möchte, kann ich das so handhaben. Vielleicht doof für die Marktforscher, aber soweit kein großes Ding. Wenn USP jetzt in Ihrer „Gruppierung“ (ein Fanclub sind sie wohl nicht?) keine Polizisten haben möchte, ist das deren Ding.

Ich kann das sogar insofern nachvollziehen, als dass bei der Diskussion um Gruppenaktivitäten eben vielleicht auch besprochen wird, was die Polizei nicht wissen soll. Die Prämisse mit der Abhörmaßnahmen abgelehnt werden (Sinngemäß etwa „Ich verhalte mich anders, wenn ich weiß, dass ich abgehört werden könnte, daher ist das ein grober einschnitt, selbst wenn im Akutfall nicht abgehört wird“) gilt hier für mich auch. Selbst wenn $Polizist der schnafteste unter den Schnaftesten ist, kann es sein, dass sich aus dem Wissen über seinen Beruf nicht wünschenswerte Veränderungen im Kommunikationsverhalten der Gesamtgruppe ableiten.

Schicht 2a: Tonalität

Bullen“ werden als jemand bewertet, der den „staatlichen Repressionsapparat bedient“.

Nun finde ich es persönlich blödsinnig, generell von „Bullen“ zu sprechen.

Das ist sicherlich Gruppenduktus und vermutlich in der Zielgruppe des Artikels (also bei den anderen USPlern und USP nahestehenden) so akzeptiert und gewollt, ändert ja aber nix an meiner Perspektive.

Das liegt auch daran, dass ich eine Organisiation wie die Polizei durchaus für sinnvoll und notwendig halte. Außerdem gibt es zwischen Schwarz und Weiß noch genügend Grautöne. Es gibt nicht „Den Polizisten“, der prinzipiell und immer böse ist.
Es gibt böse/doofe und gute Polizisten und höchstwahrscheinlich viel zu wenig gute.
Aber das Problem hat Momo dann sehr treffend auf den “Marsch durch die Institutionen” bezogen.

Wenn mehr „gute Leute“ Polizist würden, gäbe es eben auch mehr gute Polizisten. Dummerweise läuft der Kreis hier andersrum und das (sicher nicht ungerechtfertigte) schlechte Image der Polizei führt dazu, dass sich eben auch eher Menschen um den Job bemühen, die Werte vertreten, die zu dem schlechten Image passen.

Trotzdem benötigt Mensch eine Organisation die dafür sorgt, dass dem Bürger die Ausübung bzw. Nutzung der (Grund-)Rechte auch ermöglicht werden.
Und das ist eben die Polizei, deren „Grundidee“ ich nun erst mal nicht verwerflich sondern eher hilfreich finde.

Was da in der Praxis passiert steht leider auf einem anderen Blatt.

Schicht 2b: Repressionsapparat

Dazu kommt, dass der „staatliche Repressionsapparat“ natürlich auch herrlich undifferenziert ist.

Böse gefragt: Gibt es innerhalb USP oder der (Gemeinschaft) Südkurve einen Repressionsapparat?

Wie setzt sich so ein staatlicher Repressionsapparat zusammen?

Gehören da auch alle anderen „Staatsdiener“ dazu? Lehrer, Finanzbeamte, Richter, Sozialarbeiter, Feuerwehrleute? Repression im Sinne von Reglementierung gibt es ja im Prinzip in allen Bereichen des Lebens.

Auch da wieder: Die Vorstellung, dass alles unreglementiert  schon irgendwie (gut!) funktionieren würde, finde ich äußerst naiv.

Am Ende ersetzt halt nur ein Repressionsapparat den anderen. Und die können besser oder schlechter sein, na klar, aber von der funktionalen Logik bleiben es Repressionsapparate.

Schicht 3: Formulierung

Nochmal der Satz aus der Einleitung und dem Basch-Text:

sich von der Gruppe USP und der Südkurve fernhalten

Je nach Lesart wird hier jemand nicht nur aus der Gruppe, sondern auch aus einem Stadionbereich „verjagt“. Da ist zumindest die Formulierung schlecht gewählt. Wenn es sich nur auf eine „Gruppe“ oder „Gemeinschaft“ Südkurve bezieht, sollte das entsprechend formuliert sein.

Wenn nicht: Geht’s noch? Dass ausschließlich der Verein Hausrecht hat und Stadion(-Bereichs-Verbote) ausspricht ist zum Glück so. Und auch die Basch oder USP oder sonst wer sollte hier „so“ vorgehen können.

Schicht 4: Recherche?

Um keine Hexenjagd loszutreten, gingen wir den Gerüchten nach und sammelten erst einmal Informationen. Die Recherche dauerte gar nicht lange und schon bestätigten sich die Gerüchte, der Verdacht wurde stärker und richtete sich auch schnell gegen eine bestimmte Person.

Es gibt also Gerüchte, die werden überprüft und es wird gehandelt. Wollte man das überhöhen könnte man hier jetzt mal damit anfangen, wie hier scheinbar vorgegangen wird.

  1. Es gibt Gerüchte. (*Anfangsverdacht)
  2. Es werden Informationen gesammelt. (*Ermittlung – Polizeiarbeit)
  3. Die Gerüchte bestätigen sich, der Verdacht wird stärker. (*Anklage)
  4. Es werden Konsequenzen gezogen (*Urteil)

Die * in den Klammern mal ganz bewusst um aufzuzeigen, wie eng das Vorgehen sich an den so kritisierten Strukturen des staatlichen Repressionsapparates orientiert.

Da es offenbar keinen einem Gerichtsverfahren äquivalenten Prozessschritt gab allerdings für den aus meiner Sicht zentralen Schritt moderner Gesellschaften. Es gibt einen Vorwurf, der Vorwerfer (Die Gruppe USP?) recherchiert und sieht den Vorwurf bestätigt, der Vorwerfer fällt auf Basis seiner Informationen ein Urteil.

Nur mal so zum Andenken – hier werden ja doch in der Gruppe Muster repliziert, die außerhalb massiv kritisiert werden.

Fazit?

Irgendwo zwischen Kommunikationsschwäche und Kopf-Tisch.

Optimistische Auslegung: Der Text ist vor allem schlecht geschrieben.
Er schafft es in geradezu vorbildlicher Weise Tatsachen so fehlinterpretierbar darzustellen, dass die zu erwartende Diskussion massiv befördert wird.
Dann bleiben zwar immer noch für mich nicht nachvollziehbare Teile des Textes offen (Stichwort „staatlicher Repressionsapparat“), aber der eigentliche Grund für den Text ist für mich (siehe Schicht 1) wenigstens einigermaßen nachzuvollziehen.

Pessimistische Auslegung: Der Text ist nicht nur schlecht geschrieben, es fand der (Versuchte?) Platzverweis aus der Südkurve statt.
Dann haben wir als Gesamtverein hier meinem Erachten nach ein viel größeres Problem. Territorialgedanken sind ja bei Fußballfans nicht so ungewöhnlich („Unser Stadion“, „Unsere Kurve“ etc.), trotzdem ist es eben maximal ideell die USP-Kurve. Wer da steht darf und soll kein (Meta-?) Fanclub und keine Fangruppierung entscheiden, sondern schließlich und endlich der Verein. Wenn USP sich anmaßt hier festlegen zu wollen, wer was in welcher Kurve zu suchen hätte, und wer nicht, ist es an der Zeit, dass sich der Verein in Form seiner dafür relevanten Angestellten diesem Thema mal näher annimmt.

Bei allem, was USP Gutes für den Verein, den Stadtteil und die Gesellschaft versucht, bleibt immer mal wieder ein im besten Fall massives Kommunikationsproblem hängen. Und offenbar wird das gruppenintern ignoriert oder wenigstens nicht abgestellt. Schlechtestenfalls ist es eben nicht nur ein Kommunikations- sondern ein Einstellungsproblem. Und dann gibt es wohl dringenden Redebedarf.

Edit: Es gibt jetzt auch eine Stellungnahme des betroffenen Fanclubs.