St. Pauli ‚til I die

Ich habs getan. Ich hab ja schon länger mal drüber nachgedacht, aber jetzt war ich wirklich da.

Ich war beim HSV-Spiel.

Nicht irgendeines, sondern immerhin so richtig international, UEFA-Cup, gegen Galatasaray Istanbul. Ich finde, das geht fast schon als Ausrede durch, oder? Ich mein es dauert halt auch noch mal gepflegte 2-3 Jahre, bis wir am Millerntor UEFA-Cup sehen können 😉 …Oder so. Und ich geb sogar offen zu, dass ich bei der Partie für den HSV war. Ja. War ich.
Ganz lieben Dank übrigens nochmal an Frau Pleitegeiger, die mir zauberhafterweise die Karte besorgt hatte.

Genug Formalia vorweg.

Ich saß in der Nordkurve, Block 26b, also äh..naja, fast mitten in den Hardcore-Fanplätzen. Irgendwie. Oder halt darüber. Unter mir direkt der Stehplatzblock.
Wobei meine Sitznachbarn mir nur zum Teil wie Fußballfans vorkamen. Zwischendurch hab ich ernsthaft überlegt, ob ich vor allem dem Grüppchen zur Linken erklären sollte, warum ich mich gerade über das Spiel aufrege.
Die äh.. “Beteiligung” ließ doch für meinen Geschmack zwischendurch eecht zu wünschen übrig. “Susi! Hast Du gestern  mitbekommen wie der Günther blablabla?”. Hallo?!? Fußball?!?
Die Stimmung war äh, beschränkt überschäumend? ich finde ja, dass solche Spiele für den Fan Feiertage sein sollten. Ist doch eben nicht gerade das vierte Saisonspiel  gegen Graue-Maus-Der-Liga-Truppen wie Schalke, Berlin oder Bochum…
Klar, als St. Pauli-Fan ist es leicht das zu sagen, für uns wäre ja schon UIC der Hammer gewesen, aber naja.. Jedenfalls war die Stimmung zurückhaltend-kritisch. Klar, die Heimmannschaft spielte gerade in der ersten Hälfte teilweise auch eher auf F-Jugend-Niveau (Alle auf den Ball, wenn der Gegner dann den Pass auf den freien Spieler schlägt verwirrt hinterhergucken und feststellen, dass 5 Spieler innerhalb von 10m² vielleicht etwas ungünstig aufgestellt sind), so dass ich verstehe dass die überschäumende Begeisterung nicht so richtig rauskommen wollte. Aber irgendwie fehlte mir von Anfang an das nach vorne Pushen des Teams. Und so ein gellendes Pfeifkonzert zur Pause habe ich bei St. Pauli glaube ich noch nie gehört. Und sicherlich nicht in einem solchen Spiel. Trotz schlechter Leistung hätte ich eher erwartet, dass hier eher Aufbäumen von den Rängen kam. Immerhin ging es halt auch nicht gegen Wehen-Wiesbaden. Aber okay, die Ansprüche sind wohl andere.

Zugegeben sehr cool finde ich, dass die Stellinger Ihren Stadionsong live präsentiert bekommen. Die Musik bei St. Pauli finde ich ja um längen besser, aber dass Lotto das da im Stadion singt, hat echt was.
Trotz des grusligen Liedes 😀
Zumal er einfach auch glaubhaft als HSV-Fan rüberkommt. Irgendwie halt was anderes als ne Plastikband mit nem Plastiksong in Sinsheim.

(Momente, in denen ich anfange darüber zu träumen, wie cool ein CL Halbfinale bei St. Pauli wäre. Mit ein bisschen äh.. aufpimpen 😉 AC/DC spielen live Hells Bells zum Einmarsch, Blur performen bei unseren 4-6 Toren Song 2… Und nach dem Spiel rocken wir den Kiez.). Ja, mir geht’s gut.

Aufgefallen ist mir, dass der Spacken-Anteil im Stadion echt unauffälig war. Gerade gegen ein türkisches Team hab ich eigentlich fast idiotische oder auch rassistische Sprüche erwartet, das HSV-Klischee sitzt einfach sehr tief (fairerweise hätte ich glaube ich auch bei St. Pauli von vereinzelten Idioten schwachmatische Sprüche erwartet). Aber ich habe tatsächlich nichts negatives mitbekommen. Weder von den Stehplätzen unter mir, noch von den Sitzplätzen in meiner Nähe. Auch auf der An- und Abreise war wirklich alles völlig im Rahmen. Das extremste was mir begegnete war ein Galatasarayfan vor der Nordkurve (wir erinnern uns: HSV-Fanblock) der eine St. Pauli-Totenkopf-Flagge auspackte und damit rumwedelte. Wurde dann auch mal gepflegt angepöbelt. Aber auch wieder “EYYYY NIMM DIE FAHNE WEG… “. Und ganz klar, wenn bei uns in der Südkurve ein Gästefan sich mit HSV-Fahne präsentiert dürfte dasselbe in grün passieren. Ich habe nicht einen rassistischen Spruch gehört. Ich hab kein übermäßig aggressives Verhalten mitbekommen. Scheinbar hat sich im Volkspark in dieser Hinsicht doch was geändert.

Ich war ja – siehe oben – für den HSV.  Ich mag Galatasaray auch irgendwie so genau gar nicht. Naja. Auch egal. Jedenfalls hab ich in gewissen Phasen zumindest im Kopf durchgespielt, wie es wäre, die Lieder des HSV-Anhangs mitzusingen. Geht nicht. Ich konnte mich wunderbar über die Spieler, den Schiri etc. aufregen. Kein Problem. Ich konnte Pöbeln wie zuhause. Mitleiden, Mitfiebern, alles gar nicht schwer. Aber Singen? No way.
Die Melodien in Deutschlands Stadien sind eh zu 70% oder so identisch, das wäre nichtmal das Problem gewesen. Aber selbst wenn ich gewollt hätte, an den entscheidenden Stellen wäre mir jedes Mal ein gepflegtes St. Pauli über die Lippen gekommen. Klingt auch viel besser. Und passt auch viel besser auf die Melodien. Ich hatte zugegeben aber auch beim Einlaufen bei Spielbeginn das intensive Bedürfnis laut “St. Pauli! St. Pauli!” zu rufen.

So macht einem das Unterbewußtsein schon irgendwo sehr charmant deutlich, welcher Verein denn der eigene ist. Ich kann gar nicht anders als St. Pauli. 🙂

Bleibt also zum Ende eines unterhaltsamen Fußballabends beim Lokalrivalen folgendes: Ich komm gerne mal wieder. Aber im Herzen war, bin und bleibe ich St. Pauli ‘til I die.

Shoppingfun

Irgendwie habe ich mit meinen iPhone-Ohrhörern das Problem, dass sie nach einer gewissen Nutzungsdauer immer schlechter klingen, leiser werden etc.. In der Pause also zu einer größeren Ladenkette, die sich auf den Verkauf von Apple-Produkten spezialisiert hat marschieren, Ohrhörer shoppen.

Ich hab ja das alte iPhone, das mit der leicht versenkten Klinkenbuchse und der damit verbundenen Herausforderung: Nur wenig passt.

Also schnapp ich mir im Laden den nächstbesten “Verkäufer” und frag freundlich, was sie mir denn so an Ohrstöpseln für mein iPhone 1 anbieten können. (Bewußt mal das leidige Preisthema beiseite gelassen… was ist das eigentlich für eine Zeit, in der man für Ohrhörer 499€ ausgeben kann?).

Besagter Verkäufer berät mich dann, was ich denn kaufen sollte. Beraten heißt in diesem Fall er guckt sich die im Regal hängenden Ohrhörer an, nimmt die Verpackungen heraus, schaut, wie die aufgedruckten Stecker aussehen und leitet daraus Vermutungen ab wie “müsste passen” oder “der ist angewinkelt, das passt eher nicht”. In einem Geschäft, das sich auf Apple-Produkte spezialisiert hat. In der Abteilung, die Zubehör für iPods und iPhones verkauft. Nix weiter. Na danke. DAS hätte ich alleine vermutlich schneller und genauso inkompetent hinbekommen.
Praktisch wäre eventuell gewesen, hätte er seine Kollegin gefragt (er murmelte häufiger “müsste man meine Kollegin fragen, die kennt sich da besser aus”), aber offenbar reichte ihm da die Theorie aus.

Irgendwann hab ich dann den Fehler gemacht, zu fragen, was denn mit den Adaptern wäre, die es ja auch gäbe.. Doofgucken und dann “Adapter? Nichtmehr im Sortiment” murmeln.

Naja, weiter zum Multimediastore am Hauptbahnhof…

In die Apple-Abteilung im Keller, selbst kurz geguckt und nichts gefunden.
Weiter, eine Etage höher beim Zubehör geguckt. Nichts gefunden.
Verkäufer angesprochen und nach dem Adapter gefragt. “Unten bei Apple fragen!”.
Nagut, ich wieder runter, bei Apple gefragt. Der liebenswerte Apple-Fachmann guckt kurz irritiert, um mir dann zu erklären, dass das ja typisch sei. Die lieben Kollegen “hören Apple und denken, das muß in der Apple-Abteilung sein”.

WO DENN SONST?!

Okay, sein Vorschlag war jedenfalls “im Erdgeschoss beim Zubehör” (da war ich doch grade??) oder im 2. OG bei den Handys (das iPhone ist wohl ein Handy, aber hat nichts mit Apple zu tun??).
Also zurück ins EG, Zubehör, anderen Verkäufer gefragt. Ich durfte mir dann sein Leid anhören “Alle glauben immer, im Zubehör wäre man immer richtig, wenn man Zubehör sucht!”. Aha. Nicht? Vielleicht steht Zubehör hier ja auch eher für… DVDs? Und Adapter (sowas wie  von 2,5mm Klinke auf 3,5mm Klinke) bekommt man dort ja immerhin, von daher fand ich den Verdacht nichtmal so fernliegend.
Egal. Eigentlich nur noch aus Jux kurz im 2. OG geguckt, und was? Nix.

Danke. Für garnichts.

Doofer Vorschlag an den Multimediastore und das Applefachgeschäft: Überall Internetzugänge inkl. Terminals aufstellen, dann kann man wenigstens gleich irgendwo online bestellen. Oder Google fragen. Vermutlich hätte ich da sogar rausgefunden, in welchem Regal ich suchen muß.

Doofe Frage an meine klugen Leser: Wo hättet ihr gesucht?

Change!

Ich weiß ich bin lange nicht der erste, der sich mit dem Thema beschäftigt. Trotzdem.

Neulich in Twitter geisterte dieses “Meme” von der Beleidigung2.0 rum. Ist das überhaupt ein Meme? Jedenfalls ist es ein Hashtag, der einen Abend lang ziemlich intensiv genutzt wurde. Beleidigung2.0 lief im Prinzip darauf hinaus, dass man/wir/die Webzwonuller in 125 Zeichen (15 gingen ja für den Hashtag drauf) Beleidigungen gegenüber anderen Ausspricht. “Du hast eine Homepage”. “Du fragst nicht ‘welche’ wenn jemand deine Emailadresse haben will”. “Du ‘gehst online’”. War lustig. Geekig aber ich hatte meinen Spass. Im Moment turnt „#opatwittertvomkrieg durch Twitter. Auch wieder mehr oder weniger lustig. Und wieder relativ viele Menschen, die mitmachen.

Aber ich schreib das aus einem ganz anderen Grund auf.
Ist euch mal bewußt aufgefallen, wie enorm das Netz uns, unsere Gewohnheiten, unser Verhältnis zu Menschen, die Art wie und worüber wir Witze machen und für die Netzbewohner eigentlich fast alles verändert hat?

Der Achtzehnjährige Curi fand sein Leben damals glaube ich ganz gut. Der Vierunddreißigjährige seins heute auch, aber trotzdem..

Schon enorm:

Irgendwann, 1993. Sonntags, 10:00 Uhr:

Boah, ich bin wach, ich glaub ich nehme mir mal ein Buch und lese was. Danach stehe ich auf, geh ins Bad und hol mir was zum Frühstück. Vielleicht kommt ja was im Fernsehen. Oder ich spiel was am Amiga. Vielleicht treff ich mich nacher ja noch mit Freunden. Freunde, das sind die Menschen, die ich seit einer Weile kenne. Wir haben uns auf der Schule oder über andere Freunde kennengelernt. Verbringen viel Zeit miteinander, viel Zeit heißt sowas wie 2-3 Stunden pro Woche. Die Schulstunden mal ausgeblendet. Mal sehen, ich versuche ob ich die mit dem Telefon erreiche. Immerhin haben meine Eltern ISDN. Das ist toll, ich habe meine eigene Telefonnummer und ich kann ganz ungestört in meinem Zimmer telefonieren. Das können nicht alle meiner Freunde. Lange nicht.

Meine Freunde und guten Bekannten wohnen alle in Hamburg und Umgebung. Die meisten kann ich mit dem Rad in 30 Minuten erreichen.

Wenn ich mich verabrede, dann auf die Minute und mit präziser Ortsangabe:
“Wir treffen uns um 15:30 am Burgerking, vor dem rückwärtigen Eingang”.

Kommt jemand zu spät bin ich genervt, kommt jemand gar nicht sowieso. Eventuell ruft man – in besonderen Fällen – mal von der nächsten Telefonzelle beim betroffenen daheim an und da weiß jemand was.

Wenn ich mich informieren will, dann lese ich Zeitung – das sind brandaktuelle Informationen, da steht heute schon drin, was gestern passiert ist. Noch schneller ist nur das Fernsehen – die Tagesschau zeigt mir die Bilder, auch davon, was heute früh alles in der Welt los war. Das ist zum Teil nur ein paar Stunden vorbei. Unglaublich.

Wenn ich mehr zu einem Thema wissen möchte, muß ich im Lexikon gucken. Leider steht da oft nur wenig, dann Frage ich jemanden, von dem ich glaube, dass er es wissen könnte. Oder gehe in die Bibliothek. Nach wenigen Tagen habe ich so einiges an Informationen zu einem spannenden Thema zusammen.

Irgendwann, 2008, Sonntags, 10:00

Guten Morgen Welt. Ich bin wach. Ich klappe dann mal den Laptop auf. Erstmal im Web guten Morgen sagen. Mails gucken. Oh, cool, jemand hat auf meinem Blog kommentiert. Ein guter Bekannter. Gute Bekannte, das sind die Menschen, mit denen ich mich regelmäßig austausche. Wir kennen uns schon ‘ne Weile. Weil wir unsere Blogs gegenseitig lesen, mal in Twitter ein bis drei Tweets ausgetauscht haben. In Plurk gechattet. Und uns vielleicht schon im echten Leben getroffen. Einen Abend lang. Vielleicht auch zwei. Freunde gibt es auch online. Das sind dann die, mit denen ich regelmäßiger Chatte, eventuell auch telefoniere, oder Teamspeak.

Erstmal Brötchen holen. Nehme mir eine Sonntagszeitung mit. Zuhause aber mit dem Frühstück erstmal wieder vor den Rechner. Kommunikation, Information. Emails, Tweets, Plirks. Kommentare in anderen Blogs. Nebenher noch die aktuellen Nachrichten lesen. Aktuell wie “Das, was in den letzten 3 Stunden passiert ist”. Wenn ich wissen will, was in der Welt passiert, gucke ich online.

Naja, jetzt muß ich mir meinen Feedreader vornehmen, schon wieder über 150 ungelesene Blogbeiträge, mal sehen. Ich bin wohl gestern nicht zum lesen gekommen.

Beiträge aus ungefähr 50-60 Blogs, die von den Autoren handeln. 50-60 Menschen, an deren Leben ich irgendwie teilnehme. Lese, wenn sie Eltern werden, Ihren Job wechseln, sich eine WII kaufen oder zum Fußball gehen. In Twitter ungefähr dreimal soviele. Menschen, von denen ich Schnipsel ihres Alltags mitbekomme. Mehr (und zugegeben banaleres) als von vielen Menschen, die ich vor 10 Jahren als “Freunde” bezeichnet hätte.

Wenige von meinen Freunden und Bekannten wohnen in Hamburg. Sie verteilen sich über Europa: Hamburg, München, Berlin, Aachen, Kiel, Bremen, Dresden, Schweiz, Italien, Österreich, Irland, England. Wenige, weil sie weg gezogen sind, die meisten haben nie in meiner räumlichen Nähe gelebt. Trotzdem sind es Freunde oder Bekannte.

Wir sehen uns – teilweise leider – sehr selten. Wenn wir uns verabreden, dann meist Vage. “Ich bin ab ca. 15:00 in der Stadt und Terminfrei, lass uns dann nochmal kurz reden”. Das Mobile ist immer dabei. SMS, Mail, kurze Telefonate, 5 Minuten vorher:
“Ich steh grad am Rathaus, wo steckst Du denn?” – “Ich bin am Hauptbahnhof, treffen wir uns in der Mitte? Burgerking?” – “Okay”….1 Minute vorher “Ich bin am BK vorbei, wo steckst Du?” – “Andere Seite BK, ich komm rum!”.

Die Sonntagszeitung ist mal wieder hoffnungslos veraltet. Die Fußballspiele habe ich “live” im Ticker erlebt. Das Sankt Pauli Spiel sogar im Webradio. Politische Ereignisse standen gestern bereits online.

Wenn ich mehr zu einem Thema wissen will, Frage ich per Twitter meine Follower, vielleicht kann jemand helfen. Oder ich frage Google, oder Wikipedia. Nach wenigen Minuten habe ich einen recht guten Überblick über das Thema, wenn ich mehr wissen will, kann ich mich jetzt einlesen.

Irgendwie schon krass, oder? Das sind 15 Jahre. Ungefähr ein Fünftel oder ein Sechstel Menschenleben. Denkt weiter zurück, vor 150 Jahren gab es noch nichtmal Radio. Telegrafen und Gedrucktes war damals das Nonplusultra der Informationsübermittlung. Die Informationsmenge, die einem Einzelnen zugänglich war, war unglaublich gering im Vergleich zu dem, was heute in “unmittelbarer Reichweite” ist.

Ein großer Anteil dessen, was für mich, für uns hier im Web2.0, inzwischen selbstverständlich ist, wirkt für “normale Menschen” doch völlig absurd. Aber ich kenne kaum noch ‘normale’ Menschen. Nicht völlig normal. Google und Wikipedia kennen wohl fast alle. Nur das mit der Kommunikation klappt noch nicht bei und mit allen.

Geht es euch auch so, dass Ihr zwischendurch einfach dasitzt und staunt? Und euch fragt, ob in 15 Jahren vielleicht wieder alles anders ist? Und wie anders es dann sein wird?

Ich bin echt gespannt!