Liebe und Hass

Dann ist sie wohl ganz vorne, die TSG Hoffenheim. Irgendwie zunächst vor allem eines: Schräg.

Während man am einen Ende der Fanwelt jubelt, wie Frau Jekylla, beweint die andere Seite in Form von Frau Pleitegeiger ihre Niederlage und flucht über die Nebengeräusche des Hoffenheimer Fußballzirkus.

Ich bin ja gar kein so großer Fußballromantiker.

Eigentlich komme ich mit vielen Aspekten der oft beschrienen Kommerzialisierung ganz gut zurecht. Einige finde ich sogar gut.
Okay, ich mag Leverkusen und Wolfsburg nicht. 
Sicher auch weil es “Plastik-Clubs” sind. Andererseits wäre jeder Verein der sich jetzt Gründet und Aufsteigt irgendwo traditionslos. Fairerweise müssen aber auch Newbies – so sie sich denn Respekt erarbeiten – respektiert werden. Das hat Leverkusen bei mir ein Stück weit geschafft, spielen sie doch unbestritten seit längerem immer mal wieder wirklich guten Fußball. Und die Fanszene.. findet sich. Dass sowas lange dauert ist unbestritten. Und wenn wir ehrlich sind war Sankt Pauli am Anfang der Achtziger auch eigentlich nur ein unbedeutender Dorfclub.

Nun also Hoffenheim. Ich fand die Idee eigentlich ganz sympathisch. Vor ungefähr anderthalb Jahren. Klar, der Mäzen stopft unglaublich viel Kohle in den Club, aber irgendwo hätte ich mir ein Stück weit gewünscht, sowas würde meinem Club mal passieren. Hey, realistische Chance auf CL (Champions League, nicht Corny Littmann, der ist eh da) am Millerntor, das wäre echt mal was… und noch was positives: Letzte Saison holten wir 4 Punkte gegen Hoffenheim. Auswärts ein 1:1 und zuhause 3:1 für uns. So Gegner sind ja nicht die verkehrtesten.

Aber nach und nach veränderte sich meine Perspektive. Das was da oben steht stimmt immer noch im Grunde. Und hätte der Mäzen nicht plötzlich angefangen sich öffentlich darüber zu beklagen, wie ihm gegenüber aufgetreten wird, wäre mir Hoffenheim im Moment wohl eigentlich eher egal und ich würde über deren Fußball staunen. Letzteres mache ich nun ja auch, aber ersteres … Naja.

Wer sich ein bisschen mit der Fußballszene beschäftigt hat, dem mußte klar sein, dass der Mäzen sich Gegenwind gefallen lassen würde müssen. Und wirkliche Größe hätte er zeigen können, in dem er sich über die Angriffe stellt. Wer sich provozieren lässt, verliert. Nicht nur auf dem Platz.

Und solche Angriffe müssen ja auch andere in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten ertragen. Ob zu Recht oder zu Unrecht sei jetzt dahingestellt und das ist für das Thema hier auch gerade nicht wichtig. Aber Herr Hoeneß bekommt auch viel ab. Und gefühlt geht er damit wesentlich souveräner um als der Mäzen.
Unser Präsident wird sogar von einem Teil der eigenen Fans verachtet. Aber eine “Klage” gegen Transparente wäre mir zumindest nicht bekannt.
Dankenswerterweise spielt die Liga ja auch noch mit und verurteilt nun plötzlich. Übrigens auch etwas neues, eine Lex-Mäzen sozusagen. Immerhin gab es schon oft und häufig ähnliche Aktionen gegen andere im Fußball aktive Menschen, ohne derartige Konsequenzen.

Zum Fußball gehört (für mich!) auch schreien, pöbeln, Hass* und Verachtung.
Das ist nicht niveauvoll, das ist vielleicht nicht klug, das entspricht möglicherweise nicht meinem gesellschaftlichem Status, aber es ist so.

Während des Spiels.

Bitte alle diejenigen, die noch nie im Stadion standen und etwas “Menschenverachtendes” über den Gegner oder den Schiedsrichter gedacht haben mal die Hand heben. Dazu zählt auch sowas wie “mach ihn Platt” oder “Hau ihn um!”.

Aber ich kann differenzieren und weiß, dass ich deswegen niemandem wirklich die Beine breche, oder das Auto des Schiedsrichters anzünde.
Und meiner Erfahrung nach können das auch fast alle anderen Fans. Und diejenigen, die es nicht können, denen ist auch mit dem aktuellen Aktionismus nicht zu helfen.

Nun kann sowas natürlich immer mal wieder soweit führen, dass einzelne Personen gezielt angegriffen werden.

Nur siehe oben: Das ist Fußball! Das ist auf dem Platz!

Nach dem Spiel ist normalerweise, spätestens wenn man das Ergebnis verdaut hat, alles wieder “neutral”. Meistens.

Natürlich kann ich Hansa Rostock oder Energie Cottbus ununterbrochen scheiße finden.

Natürlich verabscheue ich bestimmte Spieler oder Personen aus der Fußballwelt auch außerhalb des Stadions.

Aber das schadet denen ja nicht. Und wenn ich denen persönlich gegenübersitzen könnte, wäre es sowieso wieder was ganz anderes. Nicht vergessen: In der Regel hassen wir, die Fußballbekloppten ja nicht die Person als solche, sondern das, was sie darstellt.
Und zudem gilt: Wer sich exponiert wird von mehr Menschen “gekannt”. Und genauso wie einen dann mehr Menschen mögen (was für den einen oder anderen ja auch ein sehr angenehmer Nebeneffekt des Engagements sein mag), verachten einen dann eben auch mehr Menschen.

Und ich persönlich finde, wer das nicht versteht, hat sich auch irgendwo den falschen Sport ausgesucht. Beim Hallenhalma gibt es eben keine Öffentlichkeit. Da ist es dann auch entspannter.

Nun geht man in Hoffenheim – so scheint es – gerade gar nicht entspannt damit um, dass der Mäzen eben gedisst wird. Und das macht mir das ganze Unternehmen dann inzwischen sehr sehr unsympathisch.
Die Sympathie, die ich dem Mäzen gegenüber vor noch nicht allzu langer Zeit entgegenbrachte hat er sich durch seine eigenen Auftritte zerstört. Und genau daher kommt dann auch die Mißgunst, die ich diesem Verein inzwischen entgegenbringe. Und so kann ich da die Pleitegeigerin in ihrem Frust auch echt verstehen.

Die in dieser Saison problematisierten Hoffenheim-Themen führen dazu, dass uns – oder zumindest dem Teil von uns der im Stadion eben auch mal negativ emotional ist (und ich bin fest davon überzeugt, dass dies die Mehrheit derjenigen ist, die auch mitsingen, anfeuern, gröhlen, jubeln. Kurz dass das vielen so geht, deren Herz für ihren Verein schlägt) – ein Teil des Spiels genommen wird. Ein Teil, der uns wichtig ist.

Wer liebt muß auch hassen können. Und wer seinen Verein liebt, der hasst eben, wenn auch meist nur für 90 Minuten ab und zu mal die anderen.

Wer den Hass verbietet, der nimmt auch irgendwann die Liebe.
Und den Fans damit schließlich auch die Existenzgrundlage.

*) Ja, Hass. Natürlich kein wirklicher, langanhaltender Hass, aber in dem Moment ist es das, was für mich Hass am nächsten kommt.
Ich kann und will das nicht damit vergleichen, was Menschen fühlen, die wirklich Hassen (z.B. die Mörder ihrer Angehörigen). Aber es ist eben auch im Stadion wesentlich mehr als nur “der ist ja unsympathisch… wie unhöflich!”.