Wilkommen im Kirchenstaat

Mal abgesehen davon, dass das deutsche Ladenschlussgesetz für mich sowieso ein steter Stein des Anstoßes ist, schlägt das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (bzw. eigentlich die dem Urteil zugrundeliegende Gesetzeslage) dem Faß den Boden aus.

Berlin hat im Vergleich das “lockerste” Ladenschlußgesetz. In Berlin ist es nach Landesregelung erlaubt an 10 Sonntagen des Jahres geöffnet zu haben. Und die Kirchen laufen dagegen Sturm. Klage vor dem BVerfG, mit dem Ergebnis, dass sich Berlin was Neues einfallen lassen muß. In der Begründung – und das ist es, was mich am meisten stört steht offenbar auch, folgendes:

Sonn- und Feiertage seien als „Tage der Arbeitsruhe“ aus religiösen Gründen, aber auch zur persönlichen Erholung der Arbeitnehmer und ihrer Teilhabe am sozialen Leben geschützt.

Ja Hallo! Der Staat verbietet uns sozusagen Sonntags zu arbeiten, verbietet uns Sonntags einzukaufen (weil ja niemand arbeiten darf, der uns etwas verkaufen könnte) untersagt es uns, den Sonntag anders als “zur persönlichen Erholung” zu verwenden. Im Grundgesetz. Eines säkular-laizistischen Staates. Danke. Ich weiß nicht wie viele Menschen sich beim Shoppen wunderbar erholen können, aber es werden einige sein. Und ich weiß auch nicht, warum der Staat den Bedarf sieht, mir vorzuschreiben, dass ich mich ausgerechnet Sonntags erholen soll.

Aber es geht noch weiter. Laut Spiegel Online habe man in der Mündlichen Verhandlung bereits geltend gemacht, dass das Recht auf ungestörte Religionsausübung von den Sonntagsöffnungen tangiert sei.

Supi. Warum gründet eigentlich nicht jemand eine weitere Religion und erklärt die Tage Montags bis Freitags zu religiösen Feiertagen? Gibt es in Deutschland nicht die per Grundgesetz festgelegte Neutralität des Staates gegenüber den Religionen? Die so genannte Religionsfreiheit? Gilt das nur für Christen?

Das ausgesandte Signal finde ich übrigens fatal. Auf der einen Seite schaut man gerade etwas erscrocken in die Schweiz, die den Bau von Minaretten durch eine Volksabstimmung verbietet, auf der anderen Seite unterstreicht man den gesetzgebenden Einfluss der christlichen Kirchen in Deutschland. Kirchenstaat im 21. Jahrhundert? Wollen wir nicht gleich auch gleichgeschlechtliche Eheschließung und das Recht auf freie Meinungsäußerungen einschränken? Ach ja, das tun wir ja schon.

Einer der Aspekte, der mich an diesem meinem Heimatland wirklich stört. Aber nun gut, dem Deutschen muß offenbar vorgeschrieben werden, wann und was er tun darf. Wann er einkaufen darf, und wann nicht. Denn: Sonntags mußt Du in die Kirche gehen. Steht da. Unterschwellig. Zwischen den Zeilen. Sonntags darfst Du nur gottgefällig sein, und nicht dem schnöden Mamonn huldigen.

Absurderweise darf man Sonntags dann aber doch einkaufen. Brötchen. Benzin. Zeitungen. Sogar Blumen. Ist das gottgefällig, oder warum ist das erlaubt?

Und arbeiten darf man auch am Sonntag. Fragt mal rum, wer alles Sonntags arbeitet. Legal.
Und das sind nicht nur diejenigen, bei denen die Gesellschaft absolut nicht darauf verzichten kann. Das sind Journalisten, Handwerker, Berater, Dienstleister, Kaufleute, Architekten, Reiningungspersonal..
Übrigens arbeiten Sonntags sogar Kirchenmenschen und Juristen.

Danke, lieber Staat, dass ich weiß, wo ich Sonntags hingehöre. ich geh dann mal beten.

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19 Gedanken zu „Wilkommen im Kirchenstaat

  1. Wäre ich nicht schon aus der Kirche ausgetreten, würde ich es spätestens jetzt machen. Das ist wirklich unglaublich lächerlich…

  2. Und nicht zu vergessen die Landesfeiertagsgesetze, die uns verbieten an bestimmten Feiertagen zu tanzen!…

  3. Wahnsinn… Mehr kann man dazu nicht sagen!!!
    Was ein Land in dem wir hier leben. Wird immer schlimmer.

    @Gilly: Mach das, bin auch ausgetreten weil ich es leid war. Wer nicht gläubig sollte nicht diese riesen Sekte (und das ist die Kirche in meinen Augen) unterstützen…!

  4. Jetzt fehlt noch das Gesetz: Du musst von 8-15Uhr in der SChule sein und danach darfst du von 15-17 Uhr spielen bevor du dich von 17-20 Uhr an die Schularbeiten setzt bevor du dann um 20 Uhr im Bett zu liegen hast … warum geben sie nicht gleich jedem bei der Geburt einen Tages/ Wochenablaufsplan?

  5. Ach, ich weiss nicht. Mir ist das sowieso egal was der Staat macht. Wir haben nicht wirklich das beste Verhältniss, ich und der Staat, sehr alte Rechnungen. Und die Kirche geht mir im gossen und ganzen auch am Arsch vorbei. Aber es macht natürlich Spass Christen zu ärgern. Das würde mir fehlen.

    Wenn euch das wirklich so auf die Palme bringt dann machts wie Luther. Pinnt an jede Kirch und Moscheetür

    Jesus ist tot, Allah auch.

    und Mario Barth ist nicht lustig.

    Ein Vergehen ohne wirkliches Opfer.
    Und was einmal klappt klappt öfter.

  6. Das ist doch ein Hilferuf der Kirchen:

    Schaut mal, wir kümmern uns um euch, wir schützen euch vor Sonntagsarbeit. Kommt also wieder zurück ihr Schafe.

    Ich muß allerdings gestehen, als Ehemann einer Einzelhandelskaufrau ist Sonntagsarbeiten keine schöne Aussicht! Denn: Wer passt auf die Juniorette auf, wenn ich Sonntags zum Fußball will? Am Ende muß ich sie halt mitnehmen 😉

  7. Habe selber einen Job bei dem ich viel auch am WE arbeite, es lässt sich sehr wohl gut mit der Familie vereinbaren. Früher oder später wird das Ladenschlussgesetz so wie so fallen….

  8. Kommentar ändern geht leider nicht, daher noch einer von mir…

    Hab mich bei dir bisschen umgesehen, gefällt mir sehr gut, hab dich in meine Blogroll aufgenommen. Ich sage immer Bescheid falls es jemanden stört! Sollte es dich also stören sag mir Bescheid dann nehm ich dich wieder raus.

    Gruß

    Mario

  9. @Calaelen naja, wohin? Ist ja nicht so, dass es woanders in der Summe zwingend besser wäre. Nur anders.

    @Gilly @Mario naja, aus meiner Sicht ist eher der Staat, als die Kirche das Problem. Wer daran glaubt – bitte – aber der Staat sollte sich davon unabhängig verhalten. (und Danke @Mario, freut mich!)

    @Christian muß gerade an den Hamburger Dom denken, an dem am „Totensonntag“ und Karfreitag erst ab irgendwann spätabends Musik gespielt wird. Gaga.

    @Wolfgang ich denke halt, es muß ja niemand einkaufen gehen, aber es wäre schön, wenn man sich das selbst aussuchen kann.

    @Holger Rösler naja, egal kann es einem in dem Kontext nicht sein, weil man ja nicht den Staat ignorierend einfach trotzdem am Sonntag shoppen gehen kann 😉 Und Mario Barth ist nicht Lustig!

    @Nightfang *g* Ich weiß nichtmal, was ich übermorgen mache, sowas würde mich komplett überfordern.

    @Pleitegeiger Danke!

    @nedfuller Juniorette im Stadion bringt bestimmt Glück 🙂

    @Basti sehe ich ähnlich, aber wäre halt schön, wenn das Thema Ladenschluss endlich mal vom Tisch wäre…

  10. was bitte wollt ihr alle am sonntag einkaufen, was ihr nicht auch an den restlichen 6 tagen erledigen könntet? mario barth cd’s?
    btw: das jammern über den allgegenwärtigen staat, den bösen, finde ich peinlich pubertär. sorry!

  11. Ich darf idR an mindestens 2 von vier Samstagen im Monat bis 20 Uhr arbeiten. Der Sonntag ist der einzige Tag, an dem ich genauso frei habe, wie meine Freunde, meine Familie und meine Bekannten, und darauf will ich, ehrlich gesagt, nicht verzichten. Ob der freie Sonntag nun wegen der Kirche so bleibt oder weil in China ein Sack Reis umfällt, geht mir sonstwo vorbei.

  12. @Stefan es geht nicht darum, dass man es sonst nicht kann. Aber es ist eine IMHO völlig sinnlose einschränkung der persönlichen Freiheit.

    @TantePolly naja, Deine Meinung. Ich denke man kann sowas durchaus koordinieren. Dann hat man halt mal gemeinsam am Dienstag frei, oder so…

  13. @sebastian ich denke, du musst dich nicht um deine persönliche freiheit sorgen! keiner tut dir/euch etwas!
    was glaubst du hingegen, wie es um die persönliche freiheit von verkäuferinnen und anderen beschäftigten in diesem niedriglohnsektor bestellt ist? kaum einer der „entscheider“ bei karstadt oder kaufhof wird seinen angestellten tatsächlich die „freiheit“ einräumen, sich sonntags für konzern oder familie zu entscheiden.
    gut, dass hier der staat (genauer die legislative) steuernd und kontrollierend eingreift!

  14. @Stefan naja, der Staat schränkt die persönliche Freiheit aller (auch der im Einzelhandel beschäftigten, im Zweifel) dahingehend ein, dass am Sonntag kein Einzelhandel möglich ist, unter dem Deckmantel „angestelltenschutz“. Warum diese Sonderregel für den Einzelhandel? Und warum nicht lieber eine sinnvolle Regelung, die sowas vorsieht wie „Maximal 5 (oder meinetwegen maximal 6) Arbeitstage pro Woche“? Warum festhalten an diesem komischen Zwangsfreitag für alle? Das ist – meine Meinung – veraltet und anstrengend.

  15. Pingback: noidea – Twitter Updates for 2009-12-02

  16. Ich finds witzig das immer wieder rausgeholt wird das damit Arbeitnehmer geschützt sind bzw werden.

    Das Gegenteil ist doch der Fall, da keine ordentliche Arbeitszeitgesetze existieren die eine ordentliche Zeitaufteilung garantieren, wird gemacht was der Chef befiehlt.

    Das sind zum Beispiel bei mir Sonntagsüberstunden die ohne jede (Rechts)Grundlage angeordnet sind oder wie bei sehr vielen bekannten von mir quasi rollende Wochen die geschickt am Gesetzgeber herum konstruiert sind. In der alle zwei Tage die Schicht getauscht wird damit keiner Sonntag in eine Spätschicht rutscht – das man trotzdem Sonntag eine Früh- oder Nachtschicht arbeitet interessiert zum Glück keinen.

    Das sind, möchte ich noch Anmerken, alles Stellen die weder aus Sozialen noch aus technischen Gründen Sonntagsarbeit erfordern. Wenn überhaupt ist nur die Gewinnmaximierung ein Grund.

    Also last den Unsinn mit Arbeitnehmerschutz.

    Schmeißt das schwachsinnige Ladenschlußgesetz weg und macht ordentliche Arbeitszeitgesetze!

    Und @Curi das wir in einen Kirchenstaat leben hab ich dir schon vor zehn Jahren gesagt 🙂
    Wie war das hier noch gleich 4% katholische Bevölkerung hier aber gleich erstmal die halbe Stadt einfordern.

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