Ihr geht mir auf den Keks

rant

Moin liebe Bloggerkollegen.

Ja, Ihr da.

Ihr, die gerade laut und kritisch über die aktuelle Vodafone-Kampagne schreiben. Und zwar nicht weil sie objektiv schlecht ist, sondern weil ihr beleidigt seid. Beleidigt, weil sie doch nicht genau euch oder uns anspricht. Beleidigt, weil trotz allem Boohei nicht “Twitterer und Blogger” einzig im Fokus stehen. Weil es kein “Superduberpaket für den Ubergeek” gibt.

Was erwartet Ihr eigentlich? Dass ein Konzern dieser Größe sich ernsthaft die Mühe macht für eine Zielgruppe von vielleicht 50.000 Menschen (angeblich hat Twitter 100.000 deutschsprachige Nutzer) einen tollen, neuen, always-on-Tarif zu entwickeln?
Am besten für 5 Euro ne Datenflat, für weitere 5 Euro ne Telefonflat und.. Ach nee, SMS benutzen wir ja nicht.

Für wie wichtig haltet Ihr euch eigentlich? Haltet Ihr uns?

200 Millionen Euro Budget, heißt es. Selbst wenn die Zielgruppe, für die Ihr euch haltet größer wäre, selbst wenn sie 500.000 Menschen umfasste, selbst dann würde das immer noch heißen: 400 Euro. Pro Nase.

Macht mal so viel Umsatz, dass sich das lohnt. Mit ner 10-Euro-Daten-Telefonie-Flat.

Ihr geht mir auf den Keks mit eurem dauernden “Wir sind wichtig, soo wichtig, dass wir behandelt werden wollen wie die Premiumkunden vor dem Herren”.

Damit, dass ihr Menschen vorwerft, sie würden Ihre Seele verkaufen, weil sie Werbung machen. Mitmachen. Weil sie versuchen Geld zu verdienen. Vielleicht sogar gutes Geld.

Macht Ihr nicht, oder? Ihr arbeitet nur dort, wo alles moralisch einwandfrei ist. Dort, wo es nichts zu bemängeln gibt. Und wenn doch, streitet Ihr euch notfalls mit eurem Chef, oder dessen Chef. Und wenn das nicht hilft, kündigt ihr, weil es keine Biomilch von glücklichen Kühen für den FairTrade-Kaffee gab. Geld ist eh überbewertet.

Ja, ich finde die Kampagne auch nicht übermäßig zu bejubeln. Persönlich. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie in der breiten Zielgruppe funktionieren KANN. Gute Stimmung vermittelt. Ein gutes Gefühl das man mit Vodafone assoziieren kann. Wenn man will.

Und am Ende zählt sowieso genau eines:

Hat es Vodafone mit seiner Agentur zusammen geschafft, durch den Einsatz der 200 Millionen Euro mindestens 201 Millionen Euro an zusätzlichem Umsatz zu generieren?

Und das wissen wir jetzt genau gar nicht. Und darauf haben wir 100.000 Twitterer, von denen 80.000 wahrscheinlich weder wissen, wer Sascha Lobo ist, noch warum dieser komsiche Mann mit dem roten Iro da im Bus sitzt, darauf haben wir 100.000 Twitterer jedenfalls mal so gar keinen Einfluß.

Es stört mich überhaupt nicht, wenn ihr die Kampagne nicht gut findet. Aber dieser moralisierende Tonfall, den einige im Moment benutzen, wenn es um einen Multimillionendollar-Mega-Telekommunikationskonzern geht, der genau ein Ziel hat – nämlich Geld zu verdienen – geht mir so dermaßen auf den Keks.. Echt.

Get real.

Geht in den Dritteweltladen und kauft euch Kaffee. Und schmeißt ganz schnell eure Spielsachen weg, die in China von unterbezahlten Arbeitern zusammengeschraubt wurden.

Und alle anderen: Ignoriert mich einfach. Aber das mußte mal raus.

/rant

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22 Gedanken zu „Ihr geht mir auf den Keks

  1. Danke! Du sprichst mir aus der Seele. Dieses Gebashe, dieses Moralapostelspielen und diese Wichtigtuerei gehen mir auch auf den Zeiger.

    Irgendwie leiden doch ziemlich viele unter Realitätsverlust. Ganz unabhängig davon, ob ich die Werbung nun gut finde oder nicht: Für die richtige Summe hätte ich auch die Werbung gemacht. Und ich denke es geht den meisten so. Die wenigsten können es sich doch leisten, solch ein Angebot abzulehnen, auch wenn ich die genauen Zahlen jetzt nicht kenne. Ich bin also käuflich, ja, aber lieber das als dumm.

  2. Du kannst es nicht sehen, aber hier stehe ich vor dem Laptop und spende Standing Ovations 😉 Ich bin nicht hundertprozentig auf Deiner Linie, aber weitestgehend eben schon und das ist weitaus mehr, als ich 99 Prozent der aktuellen Blogbeiträge zum Thema zustimmen kann. Mal wird es als schlechte Werbung und mal als moralisch verwerflich (jaja, die Zensurkeule) verkauft, aber zwischen den Zeilen hört man eben doch das Gejammer, dass man so gerne wichtiger wäre und auch in dem Bus gesessen hätte 😉

  3. Word!

    Habe den Verdacht, dass hinter solchem moralinsauren Genörgle oft eine gute Portion schlichter Neid steckt.

  4. Kaffee wurde Jahrhunderte mittels Abbildungen so genannter Mohren verkauft. Was insofern schlüssig war als das auf den Feldern oft Schwarze arbeiteten. Das sagte nichts über die Qualität des Kaffees aus. Sondern vielleicht etwas über das Mindset der angestrebten Käufergruppe. Vielmehr aber über diejenigen die die Werbung bezahlt haben.

    Und – soweit ich ich es mitbekommen habe – ist das genau der Punkt über den sich momentan alle aufregen: Vodafone nutzt den Hype von Blogs und Twitter um sich ein Image zu schaffen, das sie momentan ÜBERHAUPT nicht haben. Vodafone macht lauter Dinge, die für viele Nerds und Geeks nicht gehen: Branding und schlechte Tarife.

    btw: eine Kampagne, die 200Mio kostet und nur 201Mio mehr Umsatz bringt nennt man Geldverbrennung, denn dieser Mehrumsatz produziert auch Kosten.

  5. 1. Update: Ich lieg mit den 200 mio. zu hoch. Laut OTR ist es ein höherer zweistelliger Millionenbetrag. Aber das Argument bleibt dasselbe
    (Quelle: http://off-the-record.de/2009/07/08/vodafone-setzt-robert-basic-und-sascha-lobo-in-den-werbe-bus/ )

    @Alle Danke! Eigentlich wollte ich echt nur mal meinem Ärger Luft machen.

    @Rene Meissner Naja, ich weiß gar nicht, ob da ein Hype genutzt wird.
    Nochmal: Wer erkennt in dem Spot denn Lobo und Schnutinger? Wer weiß, wer das ist? Und für wen sind das einfach zwei Menschen, die in dem Spot auftauchen? Ich glaube die zweite Gruppe ist Riesig, die erste winzigklein. Und für die zweite Gruppe spielt der „Hype“ dann auch mal gepflegt kaum eine Rolle.

  6. @Curi0us: lobo war immerhin bei will und stern und irgendwo. Ohne den Namen zu kennen ist er gewissermassen den Mohr des Internet. Und nachdem die Leute inzwischen alle wissen, was ‚download‘ ist – egal ob das gut oder schlecht ist – sollen sie jetzt begreifen, dass Vodfone für ‚upload‘ steht. Und das trifft es einfach nicht. Weder was das Branding angeht noch die Bandbreite, noch die Kosten.

    Aber ich verstehe Deinen Punkt. Eine Kampagne ist eine Kampagne ist eine Kampagne. Und ich verstehe auch nicht, warum da alle drauf losgehen. Sowas hat ja auch immer eine Innenwirkung. Und auf die bin ich gespannt.

  7. Das eigentlich schizophrene ist doch, dass jedes Genörgel in einem Blog, Twitter o.Ä. letztendlich dazu führt, dass diese Aktion ein Erfolg ist.

    Werbung soll (auch) Attention erzeugen – und genau davon gibt es genug.

  8. Um VF geht es aktuell doch kaum noch. Da fliegt Bloggern ihr Werbedeal um die Ohren, die bisher sich als Speerspitze der Zensursula-Bewegung gesehen haben.

    Das wäre so, als würde die Gewerkschaft der Polizei beim Kiezkicker werben – obwohl, das ginge noch als Satire und Paulianische Ironie durch. Bei den moralinsauren Berlinern, so gerne ich einige mag, steht da ihr eigener Anspruch im Weg. So einfach, so unwichtig am Ende.

  9. @Rene Meissner klar, Lobo war schon „präsent“, aber ich glaube niemand, den sich die Leute die sonst nix mit der Szene zu tun haben stark einprägen. Und eben, am Ende ist es Werbung. Wie Werbung halt so ist.

    @Reizzentrum klar, aber uns allen beizubringen die Klappe zu halten wird schwer 😉

    @ring2 Uch habe bei vielen schon den Eindruck, dass die Zensursula-Thematik eher ein willkommenes Vehikel ist um draufzuschlagen. Dazu wirkt das oft zu sehr nach „Lobo lässt sich kaufen.. VF spricht uns tariflich gar nicht an! Alle doof….. Ach und VF ist sowieso böse und scheinheilig.“.

  10. Pingback: Lesestoff 16/07/2009 » ich:AG

  11. Pingback: zweipunktnull » Blog Archive » Vodafone: Die Woche danach

  12. Nicht jeder reibt sich an der Kampagne selbst – mich spricht sie nicht an, aber das hat sie mit praktisch JEDER anderen Kampagne JEDES anderen Produkts JEDER anderen Firma gemein. Es gibt BWLer, die durchrechnen, ob sich eine Werbung rentiert oder Geld verbrennt. Geschenkt.

    Dass Vodafone denkt das Web2.0 entdeckt zu haben – sie sind vielleicht noch längst nicht da, aber weiter als ich, der ich noch nicht einmal Twitter kapier. Aber ich bin ein Relikt aus den Zeiten, als Internet noch nicht WWW war. Geschenkt.

    Dass Vodafone eine miese PK macht und sie live überträgt – das hatte Microsoft auch schon. Und die Bahn hat ja auch geniale Pressesprecher. Halt blamiert, da sind sie nicht die ersten. Geschenkt.

    Dass sie Blogger einbinden, die man in der Szene kennt: sogar für Werber eine gute Idee. Pluspunkt für Vodafone.

    Dass Blogger sich kaufen lassen – he, es ist IHR Ding. Wer sich mit dem Thema Netz-Zensur nicht beschäftigt hatte, befindet sich bei Vodafone nicht in einem moralischen Konflikt. Und ein komplett werbefinanziertes Blog wär ja so doof nicht, dann würd man für sein Hobby bezahlt werden. Kann ich mir für mich nicht vorstellen, weil ich gern zwischen Hobby und Job unterscheid, damit ich ein Hobby hab, um vom Job abschalten zu können. Aber auch das: Geschenkt.

    Wenn sich allerdings Frontfiguren des Kampfes gegen die Netz-Zensur FÜR einen sehr locker auftretenden Netz-Befürworter Werbung schalten, DANN passt das für mich nicht. Das macht die Blogger nicht zu schlechten Menschen, immerhin weiss niemand, wie man selbst entschieden hätte. Aber es enttäuscht. Es enttäuscht genaugenommen nur bei denen, denen man den Kampf gegen die Zensur ernsthaft abkauft, die auch TROTZ Werbung für Vodafone weiter gegen Zensur sind.

    Und bei denen lädiert es ein wenig die Glaubwürdigkeit, so wie die Piraten durch Tauss und Thiesen bei mir an Sympathie verloren haben und so wie ich den Grünen ihre 15 Stimmenthaltungen bei der Zensursula-Gesetzes-Abstimmung übelnehme.

    Die Delle in der Glaubwürdigkeit kann man wieder ausbügeln, wenn man es will. Oder man sucht sich weniger anfällige Themen, vielleicht findet man ja auch Internet-Sperren doch nicht so arg, immerhin machen es ja alle Länder, und dass es bald gegen Nazis, Filesharer und Hassprediger eingesetzt wird stört ja noch keinen WIRKLICH.

    Ich verachte ja auch nicht die Zensur-Befürworter für ihre Überzeugung, dass ohne Zensur die Welt untergeht, ich verachte sie für ihre Art und Weise, ohne Argumente mit falschen Zahlen und für egoistische Motive (Wahlkampf, endlich ein Mittel gegen Sperren von nicht-verbotenen Inhalten) das Thema Kinderpornographie wissentlich zu missbrauchen.

    Nicht jeder, der dieser Tage über das Thema eigene Gedanken äussert, regt sich über Werbung allgemein auf, über die Kombination Werbung + Blogging, oder über einen gewissen Berliner. Nicht jeder hackt auf dem Spot, der Idee der Werbelinie oder der Pressekonferenz (die ich nicht sah und die mich nicht interessiert) herum – manche wie ich sind nur von MANCHEN Beteiligten enttäuscht. Und Enttäuschung ist auch was anderes als lebenslanger Hass 😉

    Insofern fühl ich mich durch Deinen Beitrag auch nicht direkt angesprochen. Hättest Du „Ihr nervt mit eurem wie-toll-doch-Michael-war!-Dauergeblogge“ geschrieben, hätt ich mit „.“ einfach zugestimmt 🙂

  13. Amen. Danke, Curi0us. Das Zensur-Thema mal beiseite, aber ich zahle nur 10 € für meine Daten-Flat, kann die Aufregung um die Tarife also ehrlich gesagt nicht so ganz verstehen. Der Spot an sich ist sicherlich Geschmacksache.

    Was wirklich stresst (oder langweilt?), ist der tägliche Blick in den Feedreader wo man jeden Tag die gleichen Posts über das gleiche Thema liest – immer von den gleichen Menschen und mit der gleichen Leidenschaft. Die Zeit und Ausdauer hätte ich auch gerne.

  14. Also, ich habe im Grunde nur einen echten Kritikpunkt: diese Pressekonferenz zur Initiierung des Verkünders der „Generation Upload“ war schlichtweg grottenlangweilig.
    😉

  15. Pingback: Das Ding mit der Werbung : Curi0usities

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