Rasenball von draußen

Ich habe glaube ich auf diversen Plattformen schon mal mehr, mal weniger deutlich meinen Unmut über das Wirtschaftskonstrukt Rasenball Leipzig geäußert.

Nun spielen die ja seit diesem Sommer nicht mehr irgendwo im unterklassigen Fußball , sondern in der weltbestesten zweitesten Bundesliga allerster Zeiten (so ungefähr behauptet es jedenfalls der Pay-TV-Sender der Wahl). Von daher wächst die persönliche Relevanz, immerhin müssen wir voraussichtlich doch zwei Mal gegen die spielen.

Und dann liest man eben mal ein bis fünf Diskussionen auf Twitter. Sind die wirklich so schlimm, wie wir alle denken? Warum? Sind „alle Leipziger scheiße“ oder ist es eigentlich nur die Vereinsstruktur? Was wäre eigentlich gewesen, wenn in unserem Beinahe-Insolvenz-Jahr irgendwer vor der Tür gestanden hätte mit 20 Mio Bargeld und uns direkt in die zweite Liga zurück „gekauft“ hätte?

Also mal der Versuch, das ganze für mich zu sortieren, ohne Anspruch auf abschließende Wertung:

Erstens – Fans:

Ich kann das überhaupt nicht beurteilen. Ich bin in Hamburg Ottensen/Bahrenfeld groß geworden. Ich war mit 16 in dem Stadion, in das ich halt geschleppt wurde. Ich bin seitdem dort geblieben. Ich hatte nie eine wie auch immer geartete „Wahl“, weil ich nie eine brauchte.

Aber offen gesagt, wäre ich wohl nie Fan eines Viertligisten geworden, nur weil der ortsansässige Zweitligist eine zu beäugende Wirtschaftsform gehabt hätte.

Wäre ich gestern 16 gewesen und zufällig in Leipzig groß geworden… Hätte man mich ins Stadion der Rasenballen geschleift, hätte ich einen Sieg gesehen, wäre die Stimmung nett gewesen… Wer weiß? Ich bin nicht so vermessen zu behaupten, dass ich mich dagegen entschieden hätte, wegen einer Rechtsform, die mich – seien wir nochmal ehrlich – aus der dann ja vorher neutralen Perspektive wenig interessiert hätte.

Und hey, viele von „uns“ alten Säcken sind irgendwann mal in irgendein Stadion gekommen und dann wahrscheinlich ohne groß drüber nachzudenken hängengeblieben. Kann ich keinem Vorwerfen.

Long story short: Ich denke, die Fans von RBL kann ich erst mal verstehen.

Und was mich ja schon irgendwie nervt ist der Vorwurf der mangelnden Tradition. Wenn es danach geht, darfst du nämlich nirgends mehr einen Verein gründen, weil man ja dann keine Tradition hat. Und wir St. Paulianer dürften uns auch nicht melden, weil unsere „Tradition“ – die Werte für die wir heute irgendwie stehen – auch gerade erst entspannte 35 Jahre oder so jung ist.

Zweitens – „Verein“:

Nachdem die Fans ja – siehe oben – erstmal kein prinzipielles Problem sind, kommen wir zu dem, was wohl eines sein könnte.

Was man – von hier – so liest, halt ein paar honorige ältere Herren, die alle beim Hautpsponsor angestellt sind. Zugangshürden, die verhindern, dass andere in diesen Verein eintreten. (IIRC dürfen die jeden Antrag grundlos ablehnen und die Mitgliedschaft ist richtig teuer).

Finde ich ziemlich schwierig alles.

Aber… auch hier wieder: Wie viele von denen, die laut schreien engagieren sich irgendwie aktiv für ihren Verein? Und ich meine jetzt gerade das aktiv der letzten Ordnung, nämlich einmal im Jahr auf der JHV aufschlagen und irgendwas mitbeschließen.

Und wie viele stehen nur auf der Tribüne und motzen?

Da ist es dann leider auch nicht weit her mit der Legitimation der Kritik, so wahr sie sein mag.

Mal ab davon gibt es eben mit dem VFL Wolfsburg und Bayer Leverkusen schon zwei Clubs, die Tradition (als Betriebssport-Team) haben, die sich eigenständig (und seinerzeit noch ohne Besitzer/Sponsor-Millionen) nach oben gekämpft haben, und aus meiner Sicht schon „dazugehören“, auch wenn mich das – gerade bei WOB gewaltig nervt. Aber so gigantisch ist der Unterschied zu anderen Vereinen dann eben doch nicht, bis auf den potenten Sponsor. Da ist die Grenze zwischen Neid und berechtigter Kritik leider auch oft sehr schmal.

Die SAP Filiale im Südwesten ist wieder etwas anders gelagert und aus vielen Gründen ablehnenswert, aber auch hier gibt es objektiv so das eine oder andere Problemchen, wenn man mal über den Schatten springt und sich an Papa Weisener erinnert. Ja, der gute Herr hat sich sein finanzielles Engagement was so überliefert wurde dann doch ganz gut vergolden lassen (Zinsen etc.), aber wenn Papa Heinz in den frühen 90ern angekommen wäre und mit dem 30 Mio. Scheck gewunken „Kinnings, ich schenk Euch Kohle für Nachwuchsarbeit und zwei Verstärkungen, wir wollen in den Landesmeisterpokal!“ … ja, hätten wir uns gewehrt? Hätten wir?

Drittens – Das Konstrukt:

Now we’re talking. Das Konstrukt dass der Getränkeanbieter da aufbaut ist in meinen Augen nämlich das eigentliche Problem. Da werden dann Spieler von Sponsorenkohle aus Leipzig gekauft, nach Salzburg verliehen oder umgekehrt. Oder nach Südamerika und zurück.

Und ja, das ist irgendwie ungerecht. Genauso wie die Sponsorengelder, die offenbar dazu zur Verfügung stehen „ungerecht“ sind.

Weil die Idee eigentlich (und wenn man den Kapitalismus einfach mal als gegeben annimmt) mal war, dass die Sponsorengelder mehr werden, wenn der sportliche Erfolg oder die mediale Präsenz (schon die erste Ableitung vom Standardmodell des Kapitalismus im Fußball) wächst.

Keine Sau hätte sich für die Rasenballer interessiert, wenn da nicht die Brausekuh eine Rolle gespielt hätte. Der sportliche Erfolg wäre auch nicht eingetreten, also kein Geld, keine neuen Spieler, kein durchmarsch in die Champions-League.

Das ist (ja, mimi) ungerecht. Und gerade im Umfeld mehrerer Clubs, die eine gemeinsame sportliche Leitung haben auch genau gegensätzlich zu dem, was Fußballvereine so ausmacht. Wenn die sich in den nächsten Jahren geschickt anstellen, noch drei bis sieben Filialen in unterschiedlichen Ländern dazu eröffnen etc. pp. Haben wir dann nämlich irgendwann mal eine Blubberochsen-Euro-Winners-League oder so, in der dann die 8 Rotwasser-Teams gegeneinander spielen. Weil sie „sportlich“ qualifiziert sein. Weil sie aufgrund der Kohle im Hintergrund und der Möglichkeiten Spieler im Konzern möglichst gewinnbringend in die jeweils sinnvollste Filiale zu verschieben einfach Acht Teams de facto aus einem 240-Personen-Kader bestücken können. Halbjährlich anpassbar.

Und weil man für einen 240-Personen-Kader natürlich entsprechend mehr Infrastruktur haben kann, die das unterstützt, weil Fehleinkäufe so besser kompensiert werden (dann landet der für den CL Sieger zu schwache Spielmacher eben im Winter beim drittstärksten Club oder so..).

DAS finde ich schlecht. Das geht an allem vorbei, was ich irgendwie für mich rechtfertigen oder nachvollziehen kann. Das macht – langfristig – nämlich wirklich „den Fußball kaputt“ so blödsinnig dieses Statement sonst auch so ist.

Wenn man diesen Gedanken weiter denkt, haben wir in 20 Jahren fünf Unternehmen die jeweils 10 Clubs in 10 Ländern haben.

Kann man bestimmt auch gut finden. Ich finde die Vorstellung gruselig. Mehr als. (und ja, ich bin da inkonsequent. In der Formel 1 kann ich mir gewisse Sympathien für die dortige Tochter des Leipziger Sponsors nämlich nicht verkneifen. Aber F1 ist „für mich“ auch eh klassisch ein Viel-Kohle-Ding. Mal ab davon, dass ich da keine Breitensportabteilung erwarten würde…).

Was also machen mit dem Rasenball?

„Da“ sind sie, und ich ahne, dass sie auch nicht so schnell verschwinden, es sei denn das rote Getränk sucht sich ein anderes Hobby. Anti-Aktionen, so wie neulich in Berlin (Schwarze Regenjacken)  finde ich eigentlich ganz cool. Ändern werden sie aber kaum was. Vielleicht schaffen so Aktionen es, Aufmerksamkeit für das Thema zu wecken, wenigstens dort, wo man noch was beeinflussen kann. Aber vielleicht ist das wie mit der Satire, die eh nur konsumiert, wer sie nicht bräuchte, weil man nur das satirisch aufnimmt, was sowieso der eigenen Position entspricht.

Ist das jetzt ordentlicher? Keine Ahnung. Ich mag RBL nicht. Aber das wird denen scheißegal sein.

Und eigentlich hab ich auch mehr Bock mit „meinem“ Verein einfach so besser/cooler/sonstwas zu sein, als einfach nur über „die“ zu motzen.

Eigentlich können „die“ mir nämlich weitgehend egal sein. Wenn wir alle versuchen, unseren Verein so gut es geht zu dem Verein zu machen, den wir gerne hätten..(ja, romantisch. Egal)… Wisst Ihr selber.

Macht was draus.

8 Gedanken zu „Rasenball von draußen

  1. Das ist doch mal eine vernünftige, nachvollziehbare und durchaus auch berechtigte Kritik. Respekt. Aber pass auf! Die noch viel besseren Fans als du und ich und so zusammen, die in den schwarzen Ponchos, die mögen so was nicht. Denen geht es nämlich um die Fußballkultur! Und wenn die in Gefahr ist, werfen sie Buttersäure in den Gästeblock. Nur das, wenn man Glück hat.

    Gruß aus Leipzig

  2. Pingback: Presse 23.09.2014 | RB Leipzig News - rotebrauseblogger

  3. Echt sehr schönes Statement. Deutlich niveauvoller als die gängigen „Scheiß Red Bull“ – Sprüche mit 10 Rechtscheibfehlern. Gut zu sehen, dass es auch noch Menschen gibt die die „schönste Nebensache der Welt ?“ auch mal etwas rationaler zu sehen.
    Gehe auch als RB – Fan voll mit allen Aspekten so mit.
    Ich hoffe aber trotzdem, dass ihr euch diese Saison 2 deftige Klatschten gegen uns abholt 🙂 nichts für ungut

    Liebe grüße aus Leipzig

  4. Jepp, kann man so stehen lassen.

    RB ist nun mal da und wird wohl bald auch in der 1. Bundesliga spielen. Ob man das nun mag oder nicht. Und du hast Recht, das Gemotze wird nix ändern. Letztlich ist das auch nur ne Form von PR für RB.

    Die Leute hier gehen ja wirklich größtenteils einfach nur hin, weil einfach das Bedürfniss nach Profifußball da ist und unterklassiger Fußball halt Geschmackssache.

    Bleibt zu hoffen, dass genügend Fans soviel für ihren Verein tun, um zu verhindern, dass es irgendwann nur noch RB-Klone gibt. Und natürlich, dass sich RB die Klatschen gegen uns abholt! *hust*

    Liebe Grüße aus Leipzig

  5. Ganz stark. Und ich schließe ich vollumfänglich dem Herrn Kamke an.

    Für solche Texte schätze ich Dich, so ganz grundsätzlich – aber das weißt Du ja!

  6. Pingback: #Link11: Struktureller Antipaderbornismus | Fokus Fussball

  7. Pingback: Presse 23.09.2014 | rotebrauseblogger

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