Wechsel-Nichtwechsel-Theater

Ich weiß, ich bin spät. Aber je länger die Diskussion andauert, desto mehr geht mir die eindimensionale Betrachtungsweise auf den Keks.

Also los:

Nach der vor allem zum Ende hin immer torärmeren Hinrunde wucherten im ‘Umfeld’ des magischen FC St. Pauli die Gerüchte, welcher Stürmer jetzt wohl kommen sollte/könnte/würde, um die Mannschaft beim Unternehmen Klassenerhalt zu unterstützen.

Von dem, was ich gelesen habe, standen dabei vor allem Mike Hanke (inzwischen bei Gladbach) und Erik Jendrisek im Fokus der Spekulationen.

Und dann kommt der Trainer und stellt sich öffentlich dermaßen vorbehaltlos vor die Mannschaft, dass einem fast schlecht werden kann. Jedenfalls scheint das einigen so gegangen zu sein. Schließt neuverpflichtungen quasi kategorisch aus.

Warum, fragen sich einige. Von unprofessionellem Verhalten bis Größenwahn war einiges zu hören. Und immer wieder tauchte der Vorwurf auf, dass man sich doch ‘leicht’ und für ‘kleines Geld’ verstärken könne und damit der Klassenerhalt wesentlich wahrscheinlicher würde.

Doch ist das wirklich so?

Fakt ist: Wir haben ein Tor-Treff-Problem.

Dies liegt zum einen daran, dass wir wohl vergleichsweise wenige Chancen haben, zum anderen daran, dass wir diese dann nicht häufig genug abschließen.

Mit längerer Hinrunde wurde dieses Problem immer gravierender, was unschwer an vier selbst geschossenen Toren in den letzten 9 Spielen abzulesen ist.

Was wäre also zu tun?

Um dieses Problem zu beheben müssen wir entweder mehr Chancen generieren, um bei gleichbleibender Torquote mehr Tore zu schießen  oder die Torquote erhöhen.

Die „Wunderstürmer-These„, wie ich sie bei mir nenne, geht jetzt davon aus, dass wir einen Spieler dazu kaufen, der eine (deutlich) bessere Torquote hat, als die bisherigen Spieler hat.
Das heißt dass der neue Stürmer müsste bei gleicher Menge und Qualität der Chancen deutlich mehr Tore schießen müsste, als aktuell Marius Ebbers als einziger offizieller Stürmer.

Ebbers hat in 17 Spielen zwei Tore gemacht. Klingt wenig, ist es auch. Und das hieße, dass der ‘neue’ es eigentlich ja ganz leicht haben müsste.

Nur: Was brächte uns ein Stürmer, der doppelt so viele Tore garantieren würde? Im Optimalfall möglicherweise 6 Punkte mehr. Realistisch aber wohl sowas wie 1-3 Punkte mehr. Wenn überhaupt. UND: Diesen Stürmer muss man auch noch bezahlen können.

Schauen wir mal, was Hanke und Jendrisek so gemacht haben, in der Hinrunde:

Hanke: Torquote in bisher fünfeinhalb Jahren Bundesliga: 35 Tore. Das sind pro Saison gute sechs Tore. In Mannschaften, die zum Teil insgesamt wesentlich besser da standen und damit also wahrscheinlich auch mehr Torchancen generieren. Statistisch also ein Drei-Tore-Stürmer für viel Geld, der einen Zwei-Tore-Stürmer ersetzen soll. Ein Tor. Welchen realistischen Preis hat dieses eine Tor?

Jendrisek: In der Bundesliga noch kein Tor geschossen. Dafür eine gute Quote in der zweiten Liga (34 Tore in 90 Spielen. Achtung, Vergleich Ebbers: 89 Tore in 224 Spielen – die sind in der zweiten Liga also ungefähr vergleichbar von der Torquote).

Auf den Punkt gebracht: Zwei Spieler, die vielleicht, möglicherweise ein, zwei Törchen mehr bringen mögen. Der Stürmerheiland sieht für mich ehrlich gesagt deutlich anders aus.

Zurück zum Anfang.

Wenn man will, kann man aus dieser Situation ungefähr folgendes Lesen:

Der Spieler, der uns wirklich weiter hilft, spielt auf einem Niveau, das ihn in der Regel entweder bei seinem derzeitigem Club zum Stammspieler und quasi unverkäuflich macht, und ist damit teuer. Und für teuer (und ich rede nicht von 500.000 Euro “Teuer”) fehlt uns vermutlich das Geld. Hanke und Jendrisek mögen vielleicht sogar bezahlbar gewesen sein, aber siehe oben – der Effekt – oder neudeutsch ROI – wäre irgendwo zwischen gering oder unwahrscheinlich. Und mal ehrlich: Völlig aus der Luft 500.000 Euro für Mike Hanke und ein Tor mehr? Muss das sein?

Und in dieser Situation ist der Verein, ist der Trainer gerade. Was also machen, wenn niemand auf dem Markt ist, der bezahlbar ist und zumindest mit überschaubarem Risiko auch das abwirft, was wir bräuchten, nämlich mehr Punkte?

Richtig: Die Mannschaft stärken. Und das hat Stanislawski hier finde ich ziemlich gut erledigt. Sich in aller Öffentlichkeit nicht nur vor das Team stellen, sondern sogar aggressiv nach vorn gehen. Deutlich machen, dass man die Angriffe auf das Team für extrem ungerechtfertigt hält.

Das ist übrigens auch das sinnvollste, was er finde ich in dieser Situation tun kann. Darüber jammern, dass er niemanden bekommt, der es besser kann?

Mal ehrlich, wünschen wir uns nicht alle so einen Chef?

Wäret Ihr motivierter, wenn euer Chef gegenüber den Kunden äußert, dass er euch gerne durch einen besseren Mitarbeiter ersetzen würde, aber der leider nicht zu bezahlen ist?

Natürlich kann man jetzt wunderbar auf den Trainer einprügeln, der die Mannschaft nicht verstärkt. Aber man sollte schon wenigstens versuchen das ganze mal im Gesamtkontext zu beachten.

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11 Gedanken zu „Wechsel-Nichtwechsel-Theater

  1. ich will weder einen neuen stürmer noch einen trainer der darüber amateurhaft schwadroniert.

  2. Danke für diesen Artikel. Sehe das genau wie Du: Stani hat das einzig richtige in dieser Situation gemacht.

  3. @sparschaeler siehe oben – ich finde das unter gewissen Vorannahmen nicht amateurhaft.

    @Foxxi das was ich schreibe, oder das was Herr @sparschaeler schreibt?

    @Markus danke 🙂

  4. Zitat aus einem aktuellen Interview mit Stanislawski:

    „Ich vertraue dem Kader. Außerdem gibt der Markt im Winter generell nicht so viel her. Es gab zwar den ein oder anderen interessanten Spieler, aber der Etat muss das auch hergeben.“

    Gerade die Sätze 2 und 3 bestätigen mich in meiner Vermutung von oben. Es GAB offenbar interessanter Spieler, aber der Etat müsse das hergeben (vulgo: sie waren zu teuer).

  5. es gab da ein zwei spieler die aber finanziell den rahmen sprengen.

    was denn nun, hat man vertrauen oder nicht?

    das der verein keine finanziellen abenteuer in der winterpause eingegangen ist finde ich lobenswert, nur diese tatsache in einem emotionalen rundumschlag der öffentlichkeit zu verkaufen war nicht erstligareif.

  6. Also hat er nur Not-Vertrauen, weil er sich die interessanten Spieler nicht leisten konnte?

    Das ist ja nun jetzt wirklich ein Motivationsschub für die Mannschaft 🙂

  7. @Sparschaeler @Jekylla wenn man sich anschaut, was derzeit im Fokus der Medien ist – ja.

    Im Moment prügeln doch alle auf Stani ein, weil er sich so vehement gegen Neuzugänge ausgesprochen hat. Ergo: Das Team kann in Ruhe arbeiten. (was Stani übrigens gefühlt schon häufiger erfolgreich gemacht hat).

    Ich sehe ja, dass der Auftritt schwierig war und viele vor den Kopf gestoßen hat, aber für mich zählt eher, was da intern läuft. Außendarstellung ist eh nur Rauch. Und wenn der sich nicht negativ auf die Mannschaft und deren Arbeit auswirkt ist schon viel gewonnen. Und genau DAS passiert, glaube ich, gerade.

  8. Ich hab ja schon das eine oder andere Interview mit Stani gehört, ob das nun wirklich die Absicht war, finde ich schon sehr spekulativ, aber seis drum.

    Allerdings „Außendarstellung ist eh nur Rauch“ ist aber eine grenzwertige Aussage im Moment. Aufgrund der derzeitigen Außendarstellung hat die Sozialromantikerinitiative Zulauf von Leuten bekommen, den es sonst sicher nicht gegeben hätte.

    Und wie Sie richtig schrieben

    „Wäret Ihr motivierter, wenn euer Chef gegenüber den Kunden äußert, dass er euch gerne durch einen besseren Mitarbeiter ersetzen würde, aber der leider nicht zu bezahlen ist?“

    Das ist wohl Stand jetzt. Wieder ein perfider Plan?

  9. für mich sieht es so aus, als wenn sich stani aus der emotion heraus, das der ein oder andere spieler nicht finanzierbar war, zu solchen äußerungen hat hinreissen lassen.
    er hätte einfach nur sagen müssen das eine verstärung aus diesen gründen nicht in frage kommt, das hätte wohl jeder verstanden.
    ich nehme ihm seinen geäußerter treueschwur nicht ab, denn er hätte sehr wohl einen spieler verpflichtet wenn sich die möglichleit ergeben hätte. was auch seine pflicht ist, aber das nur am rande.

  10. @Jeky ich spekulier ja auch.
    Zum Außendarstellungs-Thema… Ich denke schon, dass im *sportlichen* Bereich die Pressearbeit meistens tatsächlich nur Rauch ist.
    Ausdrücklich was anderes, als die aktuelle nicht-Pressearbeit des Präsidiums. (okay, strenggenommen ist die gerade NICHTMAL Rauch).

    @Sparschaeler ich sehe ja auch, dass das sehr emotional war, vermute aber trotzdem Kalkül dahinter.

    Sei es wie es sei, ich finde es (sollte ich überhaupt Recht haben) allerdings auch eher ungeschickt, jetzt doch zuzugeben, dass es Spieler gegeben hätte. Da hätte es auch andere Möglichkeiten gegeben, dem aktuellen Kader das Vertrauen auszusprechen…und wenn nur ohne den Hinweis auf „wir verpflichten niemanden“.

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